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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 11 (1. Märzheft 1914)
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Schumann, Wolfgang: Fünf österreichische Romane
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0434

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Dichter österreichischer Prägung waren, auch österreichische Schriststeller
von ansgeprägt heimatlicher Art wie Stelzhamer, Raimund, Nestroy, die
man im Reich nicht als Vertreter einer eignen, als Ganzes der Achtung
und Beachtung sonderlich würdigen Literatur empsand, sondern höchstens
als Dialektdichter meist spaßhafter Art. Erst Stifter hat das österreichische
Schrifttum als solches gegründet und seine erstaunlich zahlreichen Nach-
folger, zu denen so Rosegger wie Saar, so Michel wie Nabl in irgend«
einem Grade gehören, haben dem Stamm die Aste, Zweige, Blüten,
Früchte und vielleicht auch die Keimkrast zu neuer Saat zugebracht. tzeute
ist das österreichische Schrifttum von den landlich und volklich gesonderten
deutschen das weitaus reichste und stärkste. Wenn den Reichsdeutschen
nun auch keinessalls die Verpflichtung obliegt, alle die Dilettanten zu
beachten, welche ihnen gelegentlich dieser oder jener Heißsporn aufreden
möchte,* * so ist dies doch ein Zeichen von dem inneren Erstarken des be«
freundeten Nachbarvolkes, das wir begrüßen müssen. Nnd wie die welt--
politischen Verhältnisse es dem einzelnen Deutschen nahelegen, österreich
nicht nur als die durch Verträge uns verbündete Macht zu schätzen,
sondern es auch in seiner Eigenart kennen und würdigen zu lernen,
so bietet das Schrifttum wahrlich dem, der nicht mit eignen Augen zu
sehen, mit eignem Ohr zu hören kommen kann, eine nicht verächtliche Mög-
lichkeit, den geschichtlichen Riß, der „Deutschländer" und Österreicher vor
Iahrzehnten trennte, an seinem Teile innerlich zu überbrücken. Viel--
leicht ist zu solcher Aufgabe das eigentlich höchste und künstlerisch bedeut--
samste Schaffen Deutschösterreichs nicht so geeignet. Mögen Schnitzler
und Nabl — diese beiden betrachte ich augenblicklich als die stärksten
Schaffenden Österreichs — getrost von anderem als dem Standpunkt des
Soziologen und Kulturpolitikers angesehen werden, Werken wie dem neuen
Roman „Der große Schwabenzug" von Adam Müller--Gutten--
brunn tut man damit gewiß kein Unrecht.

Die Gestaltung dieses Buchs liegt unter der Ebene dichterisch--künstlerischer
Arbeit; aber es leistet in mancher Beziehung mehr als dies oder jenes
„interessantere", künstlerisch höher zielende Romänchen. Seine 375 Seiten
umschließen eine Welt von Liebe, von völkischem Streben und Werden,
von Kraft und Stetigkeit. Der Verfasser erzählt von den Schwaben,
Lothringern und andern deutschen Bauern, welche im s7. Iahrhundert
auf den Ruf des Kaifers auswanderten, um im zurückeroberten tzungarn
eine neue Heimat zu finden, ein neues deutsches Land gründen zu helfen.
Die kulturhistorischen Verhältnisse der Zeit hat Müller--Guttenbrunn offen--
bar mit Liebe studiert, so daß er völlig darin lebt und sie dem Leser
mühelos nahebringt. Dieses, bisher wohl völlig vernachlässigte Stück Ge--
schichte ist es aber auch wert, der Vergessenheit entrissen zu werden. So--
wohl die prachtvolle Gestalt des Banatgründers Grafen Mercy wie die
Typen der neuungarischen Bauern treten kräftig hervor, ihr Wirken und
Geschick erregt tief die Teilnahme, da in beidem ewig Menschliches
und Bedeutsames offenbar wird; und der Verfasser ist als Schriftsteller

L Co., G. m. b. H., Leipzig, ^,50 M.); „Deutsches Sehnen und Kämpfen" (Adolf
Bonz L Co., Stuttgart, geheftet 5,50 M.); Bartsch, „Hannerl" (L. Staackmann,
Leipzig, 5 M.); Adolph, „Töchter" (Deutsch-Österreichischer Verlag, G. m. b. H.,
Wien, 6 M.).

* Siehe etwa das seltsame Buch „Wir Deutsch-Österreicher" von Stauf
von der March, Prag (9(3.

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