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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 11 (1. Märzheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0475

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Dagegen sind sie überzeugend, wo
sie einen alltäglichen Vorgang init
dem einzigen Bestreben wiedergeben,
es so zu machen, „wie's eben aus-
sieht«. Wenn der tzeld einen Be-
sucher empfängt und sich ihm mit
der Karte in der Hand gegenüber-
setzt, dann hat man das wohltuende
Gefühl: richtig, es ist zwar eigentlich
albern, aber so benimmt man sich
ja wohl „in diesem Falle". Wenn
diese Alltagsszenen technisch gut ge«
macht sind, so sind sie im Kino schön.
Der Kino erfüllt da eine eigentliche
Ausgabe: ein Stück „Wirklichkeit"
wiederzugeben. Ein Stück Staffage
so in die Natur hineinzuspielen,
daß dieser Eindruck der Wirklichkeit
möglichst wenig gestört wird, ist auch
Kinomimik. Aber sie ist eine Sta-
tistenkunst, die der der Bühnenschau--
spieler eigentlich entgegengesetzt ist.

Worauf es beruht, daß trotz dieser
ganz selbstverständlichen Verhältnisse
doch selbst mancher Mensch von
Geschmack sich darüber im Kino nicht
klar wird, das zeigt der Hauptmann-
film ebenfalls an einem Musterbei-
spiel. Abgesehen von der Suggestion
durch Reklame, Vorbeschreibung und
„Schriftfilme" kommt das vor allem
daher, daß dem Beschauer Szene für
Szene, gefüllt mit derb „spannen-
dem" Inhalt, in atemloser Hast und
ohne irgendeine Denkpause gleich-
sam ins Gesicht gehauen wird. Das
ist der allgemeine „Trick" der heu-
tigen Kinodramatik, ohne den sie
schon längst den Zusammenbruch ge-
funden hätte, der ihr in sehr kurzer
Zeit bevorsteht.

Es spielt aber noch ein zweites
mit: die Verwechslung des „Dramen-
haften" im Kinobild mit Bestand-
teilen, die an sich gar nichts mit
dem Drama zu tun haben, dafür
aber dem technischen Wesen
des Kinos abgelauscht sind und aus
ihm heraus auch wohl zu wirklich
Schönem kommen. Dergleichen fin-
det sich im Atlantisfilm besonders

zweierlei: erstens Naturszenen im
weiteren Sinne des Wortes, zwei-
tens „Trickszenen". Wenn das Meer
aufrauscht oder die Gassen eines
weltverlorenen Städtchens in der
Mittagstille ruhen, oder wenn ein
Ozeandampfer vorbeifährt, oder
wenn man sein inneres Getriebe
sieht, so ist das ein echtes „Kino-
schauspiel«, das als solches mit
Bühne und Dramendichtung nicht
das geringstezu tun hat. Dieseechten
Szenen sind in „Atlantis« sehr
schön, aber viel zu kurz. Eher
lächerlich wirkt aus den, der für der-
gleichen ein Auge hat, die versuchte
Steigerung solcher Szenen ins Aber-
wirkliche: das Herumrudern der Ret«
tungsbote, das Versinken einer
Schiffsattrappe, das Rennen der
Passagiere zu den Booten usw. ist
ein Gemisch von Brutalität und
Albernheit. Das zweite Kino-Lchte
sind die „Trickszenen", also die Auf-
tritte, die auf Grund einer tech-
nischen Eigentümlichkeit des Kinos
Traumszenen und Visionen und da-
mit — Stimmungen wiedergeben.
Ich habe diese Mittel noch niemals
so technisch wie psychologisch meister-
haft, und dabei in so guter Stim-
mung gesehen, wie in diesem Film.
Auch technisch-meisterhaft, zeigt er um
so klarer, daß im Zeichen der Büh-
nendramatik vom Kino nichts zu
erhoffen ist.

Nur nebenbei sei — als immerhin
für das Milieu bezeichnend — die
schon mehr skandalöse Art der Re-
klame erwähnt. Das Publikum
kann es nicht wissen, daß natürlich
Hauptmann daran unschuldig ist.
Auch für ihn galt es ja: „Das erste
steht uns frei, beim zweiten sind wir
Knechte.« Hermann Häfker

Walter Niemanns Klavier-
musik

o viel heut Klavier gespielt wird,
so wenige unserer Komponisten
sorgen für Werke, welche den Lieb-

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