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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 12 2. Märzheft 1914)
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Schmidt, Georg: Neue Aufgaben für die deutsche Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0517

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Sport und Turnen soll uns doch nur eine Mahnung sein, hinzuarbeiten
auf das Kulturziel des harmonischen Menschen, in dessen Ausgaben körper»
liche und geistige Arbeit in der rechten Weise verteilt sind, bei dem der
„Sport" nicht nur Spiel, sondern eine produktive Tätigkeit ist, neben
der er vielleicht auch noch Sport als Spiel und Unterhaltung treibt.
Geistesarbeit und Körperarbeit — verbunden mit Geistes- und Körper-
spiel — ist jedenfalls ein noch höheres Ziel als das: Geistesarbeit und
Körperspiel.

Einige Nationalökonomen halten eine Rückwanderung von der Stadt
auss Land aus Erwägungen für nötig, die ich hier erwähnen will, ohne
genügend Fachmann zn sein, um ihre Gedanken kritisch prüfen zu können.
Sie sagen: unsere Industrie muß in wenigen Iahrzehnten eine gewaltige
Krisis durchmachen, da die an Zivilisation schwächeren Länder, die bisher
unsre Abnehmer waren, dann selbst zu Produzenten geworden sein werden,
die unsere Einfuhr nicht mehr nötig haben.

Äber die nationale Notwendigkeit, unsre inländische landwirtschaftliche
Produktion möglichst zu steigern und uns darin unabhängig vom Aus-
lande zu halten, ist zur Genüge geredet worden, und ebenso kennt jedes
Kind die Gefahren, die unserm Volkstum erwachsen aus der Landflucht und
der damit verbundenen Abhängigkeit des flachen Landes von den Heeren
slawischer Arbeiter. Nnd dies hat die Aussprache über die Entvölkerung
des flachen Landes gezeigt, daß die Landflucht — ebenso wie der Ge-
burtenrückgang — durchaus eine geistige, eine moralische Krankheit ist
und letzten Grundes nur auf der Erhöhung der „Lebensansprüche^ be--
ruht. Geistige Krankheiten müssen mit geistigen Mitteln geheilt werden;
die Ingend der tonangebenden Schichten muß den schweren Kampf mit
sich selbst kämpfen, sie muß lernen ihre eigenen „Lebensansprüche" in Zu--
sammenhang zu bringen mit dem Bedürfnis der Allgemeinheit. Die
Iugend der „obern" Schichten, weil bei diesen die Volkskraft zehrende Krank-
heit angefangen und am tiefsten Wurzel gefaßt hat und weil sie am
ersten die geistige Weitsicht haben sollte, die zur Gesundung gebraucht wird.

Die Anstrengungen der freiwillig übernommenen Erntearbeit werden
eine gute Schule für uns Iunge sein, die wir geistige Sicherheit und
Kraft zu der Aufopferungsfähigkeit erwerben wollen, die heute der Frieden
und übermorgen der Krieg und alle Zeit das Wohl unsres Volks erfordert.

Denken wir uns: die einzelnen Gruppen der Studentenschaft, die
deutsche Turnerschaft, die Sportverbände forderten ihre Mitglieder auf,
nach Möglichkeit der deutschen Landwirtschaft bei der Erntearbeit zu helfen.
Welcher Segen ließe sich daraus erhoffen!

Und nun du Iugend, die du die Erntearbeit „couleurfähig" machen
willst, auf zur Forschungsreise ins Land! Sieh, wo du dich für die nächste
Ernte auf einige Wochen als Hilfsarbeiter verdingen kannst. Daß du
dir ein Dorf mit rechten, echten, tüchtigen Bauern suchst, das kann ich ver--
stehen. Wirb andere für unseren Gedanken, damit recht bald die Zeit
kommt, wo der Sportsmann des Erntefeldes mit denselben Gefühlen auf
den Tennisspieler sieht, mit denen dieser heute auf den „Sportsmann"
sieht, der in seinem Zimmer an einrm feststehenden Ruderapparat „Sport"
treibt. Georg Schmidt

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