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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 12 2. Märzheft 1914)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0519

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voller erschwellenden Chöre der Sphären und des Universurns türmt.
Welche mitreißende Gewalt in seinen Stanzen steckt, die alle Ehr-
furcht vor der klassisch-ebenen Form abgetan haben, ist mir fast gegen
meine Voraussicht in einer öffentlichen Vorlesung zum Bewußtsein ge-
kommen; und der Hymnus an die Natur mit seinem Wechsel von Adagio,
Allegro und Scherzo, mit seiner musikalisch durchgeführten Steigerung
bis zum Fortissimo im Maöstoso wird, wenn er erst bekannt ist, nicht
lange mehr auf symphonische Vertonung zu warten haben.

Hartlieb kommt von Byron her und macht kein Hehl daraus. Früher
durfte das als schädliche Abhängigkeit getadelt werden, heute jedoch, wo
Hunderte über einen anderen, immer gleichbleibenden Leisten dichten, be--
weist Hartlieb sicherlich ein neues Erleben Byronschen Schmerzes; denn
wenn auch die meisten unsrer Lyriker schwache Gestalter sind, so predigen
sie doch keine Abkehr vom Leben. Hartlieb steht mit seinen Stoffen allein,
weiß sich mit dem Leben nicht auszugleichen und nur als Folie zu tausend
Bitternissen empfindet er ab und zu die Süßigkeit der Landschaft, der
Liebe und Treue. Aber der Ausdruck seiner Leidenschaften ist mitten
aus der modernen Großstadtpsyche gerissen, und so fühlen wir uns ihm
wenigstens durch sein Werkzeug, seine Form verbunden und hoffen mit
gutem Grunde, daß er sich auch bald uns verbunden fühle.

Die fünf Bücher sind bei Hugo Heller L Co. in Wien erschienen.

Ferdinand Gregori^

„Herbert"

Arrs dem zweiten Gesang
^ -A- nd was du bist, das bist nur du allein -
I I Der andre lebt in einer andern Welt.
^^Was uns verbindet, ist ein öder Schein,
Ein wirrer Wahn, der unser Herz verstellt.
Das wahre Ich hüllt sich in Stummheit ein
Und schweigend trägt es, Dulder oder Held,
Verstrickt in seinem eignen Schicksalskreise,
Sein nacktes Dasein durch die Lebensreise.

A.nd doch: wenn allzu heftig unser Sehnen
Nach einer trauten Zwiesprach überquillt,

Wenn wir uns einsam und verlassen wähnen
And uns die Lust des Schweigens nicht mehr stillt,
Wenn sich das Auge füllt mit warmen Tränen
And unser Herz im höchsten Andrang schwillt —
Dann finden wir auf einmal die Gefährten,

Die wir so lang mit tiefer Qual entbehrten.

Nicht unter Menschen! Nein: dort, wo Natur
In unberührter, ewger Schönheit webt —

Im sanften Lächeln einer Frühlingsflur,

Im Sonnenspiel, das Berg und Tal umschwebt,

Auf Höhen, wo sich in den Goldazur

Des stummen Gletschers stolzer Gipfel chebt,

Im Atem einer stillen Sommernacht,

Die zaubernd ihre Sternenwelt entfacht.

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