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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0044

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40

Kapitel I

Dieses von ihr zunächst am Beispiel der wechselseitigen Beziehungen der
Könige der iberischen Halbinsel entwickelte Konzept wird im folgenden nicht
aufgegriffen, denn es löst nicht die Frage, wie die Beziehungen zwischen Kö-
nigen und Fürsten zu erfassen sind, die für einen Teil ihrer Besitzungen in ei-
nem Lehensverhältnis zueinander stehen, jedoch ihre eigentliche Herrschafts-
grundlage außerhalb dieses Lehensverbandes haben. Dies aber ist im nördli-
chen Westeuropa eher die Regel als die Ausnahme: Als Strukturelement be-
stimmte es nicht nur die englisch-französischen, sondern - wenngleich mit
vertauschten Rollen - auch die englisch-schottischen und die englisch-
flandrischen Beziehungen; weitere Beispiele sind das Verhältnis der Grafen
von Flandern zum Reich und die zahlreichen niederrheinischen Großen, die
Richard Löwenherz auf dem Rückweg nach England nach seiner Freilassung
aus der Gefangenschaft durch Geldlehen an sich band.
Nicht verzichtet werden konnte dagegen auf den Begriff »englisch-
französische Beziehungen«, obwohl dieser die Beziehungen zwischen beiden
Königen auf die ethnische Bezeichnung ihrer Reiche verkürzt und die Vor-
stellung diplomatischer Kontakte zwischen zwei abgegrenzten Staaten mit je
eigenem Staatsvolk und Staatsgebiet evoziert. Im Mittelpunkt der folgenden
Untersuchung dagegen steht das Verhältnis zwischen dem englischen und
dem französischen König, die Wahrnehmung dieses Verhältnisses in der Hi-
storiographie und den überlieferten Vertragstexten, vor allem aber der Wan-
del der das Verhältnis der Könige zueinander bestimmenden Deutungsmu-
ster im 12. und 13. Jahrhundert. Die Ausgestaltung dieses Verhältnisses in
Herrschertreffen, Verhandlungen und Verträgen als »englisch-französische
Beziehungen« zu bezeichnen, ist eine pragmatische Entscheidung für eine
sprachlich handhabbare Benennung des Untersuchungsgegenstandes. Sie
wurde durch die Selbstverständlichkeit erleichtert, mit der die französisch-
und englischsprachige Forschung die Beziehungen zwischen den beiden
westeuropäischen Königen als »relations franco-anglaises« oder »Anglo-
French relationship« benennt.

4. Dichte Beschreibung.
Von übergeordneten Konzeptionen zu
handlungsleitenden Motiven

Viele der aufgeworfenen Fragen zielen auf die handlungsleitenden Motiva-
tionen der Könige und der an ihren Konflikten Beteiligten. Die Frage, welche
Motive das Handeln mittelalterlicher Personen im Einzelfall bestimmte, führt
allerdings rasch in die Aporie. Zu widersprüchlich sind die Aussagen der er-
zählenden Quellen und das Bild, das sich aus der urkundlichen Überlieferung
ergibt. Selbst in den Fällen, in denen ein konsistentes Bild entsteht - sei es daß
nur eine Überlieferung vorliegt, sei es daß mehrere Quellen unabhängig von-
einander eine ähnliche Erklärung geben - bleibt offen, ob es tatsächlich der
Perspektive der handelnden Personen selbst entspricht oder nicht doch vor
 
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