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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0035

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Adelsforschung - Wurzeln und Kontexte

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scher Zeit ein neuer Adel entstanden sei, dessen Angehörige sich aus dem germa-
nischen Geburtsadel, dem königlichen Beamtenadel, dem Gefolgschaftsadel, der
höheren Geistlichkeit und den Großgrundbesitzern zusammensetzte^. Die Vor-
stellung von der Etablierung eines „neuen" Adels in fränkischer Zeit, der sich auf
einer neuartigen Grundlage bildete, hielt sich in der Rechtsgeschichte zäh. Her-
mann Conrad hat sie noch in den sechziger Jahren in seiner Deutschen Rechtsge-
schichte vertreten^.
Das Gesamtbild der Entwicklung der deutschen Geschichte lag demnach fest.
Dem Staat der Gemeinfreien in germanischer Zeit folgte der fränkische Königs-
staat, der ebenfalls auf den Gemeinfreien basierte. Im Zuge von Verfall und Auflö-
sung der fränkischen Königsherrschaft verselbständigte sich der fränkische Beam-
tenadel und brachte die Masse der Gemeinfreien in seine Abhängigkeit „privater"
Herrschaften. Der normative Kontext war unverkennbar. „Der Adel" erschien in
dieser Perspektive als Usurpator (im Hinblick auf den König) und Unterdrücker
(im Hinblick auf das Volk). Intermediäre Gewalten hätten sich zwischen König-
tum und Volk geschoben^".
Noch weiter zugespitzt wurde diese Perspektive durch Georg von Below, dem
der Nachweis von Staatlichkeit im deutschen Mittelalter noch mehr am Herzen lag
als den meisten Verfassungshistorikern seiner Zeit. Daß er damit zum stärksten
Kritiker Otto von Gierkes einerseits und Gerhard Seeligers andererseits wurde,
liegt auf der Hand. Für Below bedeutete das Ende des fränkischen Reichs keines-
wegs das Ende von Staatlichkeit. Zentraler Indikator für Staatlichkeit war für ihn
ein durchgebildetes Ämterwesen, das er direkt mit der sozialen Stellung, insbe-
sondere mit der Adelsproblematik verknüpfte. Sein bekannter Satz, daß die Ge-
richtsbezirke adelten, war zunächst gegen die grundherrliche Theorie gerichtet:
„Grundbesitz, mochte er noch so groß sein, verlieh noch nicht den Adel"^°h Below
betonte die Bedeutung gräflicher Rechte für die Bildung adliger Herrschaften in
nachkarolingischer Zeit und konnte in dieser Perspektive exemte Gerichtsbezirke,
also Vogteien, und Grafschaften gleichsetzen, da Immunitätsherren wie Grafen im
Hinblick auf die Ausübung von Rechten als Nachfolger der fränkischen Beamten
zu betrachten seiend Eine förmliche königliche Exemtion war für Immunitätsher-
ren demnach nicht nötig. Die Staatsgewalt der fränkischen und mittelalterlichen
Könige sei also durch Feudalisierung nicht verlorengegangen, vielmehr sei das
Territorialfürstentum aus dieser vom König abgeleiteten Grafengewalt entstanden.

98 Vgl. SCHWERIN, Rechtsgeschichte, S. 78.
99 Vgl. CONRAD, Rechtsgeschichte, S. 14,115f.
100 Zur Einschätzung der Rolle des Adels in dieser Perspektive vgl. etwa auch ALTHOFF, Mittelalterbild,
S. 735.
101 Vgl. G. v. BELOW, Rezension zu DÜNGERN, Adelsherrschaft, in: HZ 137,1928, S. 300.
102 BELOW, Staat, S. 260. Demzufolge war Below i.ü. durchaus in der Lage, die Thesen von Hans Hirsch
für seine Gesamtkonzeption zu verwenden.
 
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