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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0125

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aufgrund des Besitzes, nicht wegen adliger Abstammung entstanden. Die Stellung
der „Häuptlingsfamilie" blieb bis zur Aufgabe der Wurt im 5. Jahrhundert erhal-
ten^. Haarnagels Untersuchung von Feddersen Wierde unterstützte also eher die
Vermutung, daß Entstehen und Erweiterung von umfassendem Grundbesitz die
Grundlage einer hervorgehobenen sozialen Stellung bildete. Dies gilt im wesentli-
chen auch für die Fälle Peelo oder Fochtelo aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Mal-
colm Todd spricht auch heute noch, mit Verweis auf die von Tacitus beschriebe-
nen Verhältnisse, von „Häuptlingssitzen"A
Zu berücksichtigen bleibt, daß das Problem sozialgeschichtlicher Analysen ar-
chäologischer Befunde offenkundig grundsätzlicher Art ist und nicht nur in der
nachchristlichen Zeit eine Rolle spielt. Dies zeigt etwa die Untersuchung der sog.
„Herrenhöfe" der Hallstattzeit, deren Bedeutung erst durch die Luftbildarchäolo-
gie erkannt wurde. Wolfgang Kimmig hatte 1968 für die Heuneburg an der oberen
Donau zunächst von einem „Fürstengrabhügel" mit Burg gesprochen, der am
Beginn des vorchristlichen 6. Jahrhunderts als Herrensitz diente. Ein „Adelsge-
schlecht" wahrscheinlich frühkeltischen Volkstums habe sich festgesetzt. Explizit
sprach Kimmig von Adelsburgen um 500 v. Chr. mit herrschenden Geschlechtern,
die inmitten ihrer Gefolgsleute lebten; der Burgherr habe „landesherrliche" Funk-
tionen ausgeübtG Christlein/Braasch verwendeten bei ihrem Überblick über die
Befunde in Bayern den Begriff „Herrenhöfe" und zeichneten das Bild einer „von
adeligem Selbstbewußtsein strotzenden Dorfgemeinschaft". Wirklich „hochadli-
ge" Geschlechter, wie sie in Südwestdeutschland durch die dortigen Fürstengräber
und Zentralburgen wie die Heuneburg festzustellen seien, würden in Bayern al-
lerdings fehlen. Für die Hallstattzeit könne man einen „Landadel" und „bäuerli-
ches Mittelmaß" feststehend Alfred Reichenberger setzte 1994 in seiner Be-
standsaufnahme der Verhältnisse in Bayern den Begriff „Herrenhöfe" dagegen in
Anführungszeichen; den Kontinuitätsnachweis von der Urnenfelderzeit zur Hall-
stattzeit hielt er für nicht gelungen. Die Befunde deutete er als Ausdruck des
„Repräsentationsbedürfnisses einer bestimmten Schicht"^. In ihren Überlegungen
zu den hallstattzeitlichen Herrenhöfen stellten Kas und Schussmann 1998 fest, daß
die Kontinuität zur späten Urnenfelderkultur umstritten, aber keinesfalls auszu-
schließen sei. Die frühhallstattzeitlichen Herrenhöfe, die v.a. in Südbayern festge-
stellt werden konnten, hätten sich wohl autochton aus dem einheimischen Sied-
lungsgefüge heraus entwickelt. Man könne allgemein die Entstehung einer Ober-
schicht feststellenW Die Sonderstellung der Herrenhöfe in der frühen Eisenzeit
95 Vgl. v.a. HAARNAGEL, Grabung, S. 316-322; ferner DERS., Wurtensiedlung; JANKUHN, in: Au-
BIN/ZORN, Handbuch, S. S. 74f.; TODD, Germans, S. 63ff.
96 Vgl. TODD, Germans, S. 66.
97 Vgl. KIMMIG, Heuneburg, S. 119, 122.
98 Vgl. CHRISTLEIN/BRAASCH, Bayern, bes. S. 54f.
99 REICHENBERGER, Herrenhöfe, S. 213.
100 Vgl. KAS/SCHUSSMANN, Überlegungen, S. 95f.
 
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