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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0137

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tion liegt auf der Hand: Im Rahmen des Ansatzes von Sohm mußte es der König
sein, der den Staat geschaffen hatte. Von einer Volkssiedlung wollte Sohm dem-
nach nicht sprechen. Heinrich Brunner schloß sich in seiner Rechtsgeschichte die-
ser Deutung weitgehend an. Die Reichsgründung durch Chlodwig ging „nicht
mehr aus dem Wandertrieb des Volkes sondern aus der Initiative des Königtums
hervor"^.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Landnahmefrage zum Gegenstand um-
fassender Untersuchungen, die im Rahmen der sogenannten Volksgeschichte ins-
besondere am Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde vorgenommen
wurden. Franz Steinbach und Franz Petri entwickelten das Konzept einer Volks-
siedlung mit großräumigem Kulturausgleich, die zu einer langdauernden Zwei-
sprachigkeit ganz Nordgalliens geführt habe. Erst in späterer Zeit habe eine Rück-
romanisierung stattgefundeWA Da das Problem der Volkstumsgrenze seinerzeit
auch ein wichtiges Politikum war, sind in jüngerer Zeit gerade die Methoden die-
ses Ansatzes in das Schußfeld der Kritik geraten. Daß man gerade in diesem Fall
von „zeitbedingten" Einflüssen sprechen kann, dürfte heute nicht mehr zu bestrei-
ten sein. Die Rolle eines Adels trat in einer Perspektive, in der es wesentlich um
Volkstumsfragen ging, zurück. Steinbach lehnte demgemäß die Adelsherrschafts-
theorie explizit ab. Von einer umfassenden Volkssiedlung spricht heute wieder
Hans K. Schulze^.
Im Rahmen eines Ansatzes, in der die Vorstellung von der Existenz eines Adels
eine zentrale Rolle spielt, verlor der Gedanke der Volkssiedlung natürlich an Be-
deutung. Dies zeigt sich schon bei Eichhorn, der als erster von einer gefolgschaft-
lich organisierten Landnahme gesprochen hattet Im Rahmen der Adelsherr-
schaftstheorie konnten demzufolge auch Theodor Mayer, Eberhard Otto oder
Reinhard Wenskus zum Teil sogar explizit an Eichhorn anknüpfen^^. Gefolg-
schaftlich organisierte, kriegerische Eliten, die zumindest als „Proto-Adel" be-
zeichnet wurden, prägten auch das Bild von der Landnahme, das Adolf Helbok
1936 entwarft.
Insbesondere die Entdeckung der Bedeutung von Ethnogeneseprozessen haben
das Bild der Landnahme in der neueren Forschung erheblich verkompliziert, so
daß der Begriff selbst in die Diskussion geraten isBA Die neuere Forschung betont

169 H. BRUNNER, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 272.
170 Vgl. STEINBACH, Studien; PETRI, Germanisches Volkserbe. Zur daran anknüpfenden Diskussion vgl.
DERS., Siedlung; DERS., Landnahme.
171 Vgl. H.K. SCHULZE, Reich der Franken, S. 35; vgl. auch DERS., Grundstrukturen, Bd. 3, S. 31.
172 EICHHORN, Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 99f.
173 Vgl. OTTO, Adel, S. 105, llOff.; MITTEIS, Formen, S. 644; DERS., Staat, S. 12, 49; WENSKUS, Amt, S. 40;
BOSL, Reichsaristokratie, S. 142; v.a. SCHLESINGER, Herrschaft, S. 37.
174 Vgl. HELBOK, Volk, S. 234f.
175 Vgl. R. SCHNEIDER, Problematik.
 
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