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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0153

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12. Jahrhundert entdeckt. Erst seit dieser Zeit war die Mobilisierung von Besitz-
rechten einfacher.
Auf ein ganz anderes Problem zielt die Frage, ob der Begriff „Herrschaft" zur Be-
schreibung der tatsächlichen Verhältnisse in Grundherrschaften überhaupt ange-
messen sei. Sie wird vor dem Hintergrund der Grundsatzkontroverse, inwieweit
„herrschaftliche" oder „genossenschaftliche" Elemente die mittelalterliche Verfas-
sung prägten, unterschiedlich beantwortet. Otto Brunner hatte dezidiert behauptet,
daß in jeder, „auch rein wirtschaftlichen Beziehung von Grundherrn und Bauer... ein
Element 'Herrschaft' (stecke)"^?. In der jüngeren Forschung ist diese Einschätzung
allerdings nicht mehr unumstritten. Hanna Vollrath untersuchte den tatsächlichen
Gestaltungsspielraum der adligen Grundherren und vertrat die These, daß die
„Herrschaft" des Grundherren durch gewohnheitsrechtliche Vorstellungen begrenzt
und eingeschränkt worden sePA Daher sei die Frage zu stellen, ob der Begriff
„Adelsherrschaft" in diesem Kontext überhaupt sinnvoll verwendet werden könne.
In einer Welt, die vom Gewohnheitsrecht geprägt worden sei, habe es keinen Raum
für Befehl und Gehorsam gegeben. Die ausgedehnten Grundherrschaften, die
zudem durch Streubesitz gekennzeichnet waren, ließen eine effektive Gerichtshoheit
über alle Grundholden nicht zu. Die Auflösung der Villikationsverfassung und die
entstehende Verfügungsmacht über Besitz durch die Änderungen im Erbrecht
legten in dieser Sicht erst die Grundlage für die hochmittelalterliche Adelsherrschaft;
die Herrschaft der Gewohnheit sei zur Herrschaft der Menschen geworden. Der
Begriff Grundherrschaft sei demnach problematisch.
Hans-Werner Goetz hat diese Sicht allerdings für zu euphemistisch erklärt^.
Vollraths Bild der frühmittelalterlichen Grundherrschaft sei zu statisch; der Er-
messensspielraum des Grundherren sei größer gewesen, als sie annehme. Herr-
schaft wirke gerade auch in der Gewohnheit. Goetz wollte an Schlesingers Auffas-
sung festhalten, daß Königsherrschaft und Adelsherrschaft wesensgleiche Elemen-
te enthalten und sich nur graduell unterschieden.
Deutlich wird an dieser Kontroverse auf jeden Fall, daß hier Grundsatzfragen
berührt werden. Klaus Schreiner hat, gegen Jürgen Weitzels Fundamentalkritik an
der Verwendung des Herrschaftsbegriffs, die These vertreten, daß die Quellen, in
denen die Verhältnisse in der mittelalterlichen Grundherrschaft geschildert wer-
den, mit einer Terminologie operieren, die tatsächlich Herrschaftsverhältnisse
ausdrückt, und Ludolf Kuchenbuch hat diesen Hinweis noch vertieft^". Das Pro-
blem stellt sich noch bei der Untersuchung spätmittelalterlicher Grundherrschaf-
ten. Dieter Scheler betonte, daß auch in dieser Zeit Bauern und Grundherren auf-
einander angewiesen waren. Grundherrschaft sei angesichts der fehlenden Ver-
277 O. BRUNNER, Land, S. 241.
278 Vgl. VOLLRATH, Herrschaft; DIES., Rolle.
279 Vgl. GOETZ, Herrschaft.
280 Vgl. SCHREINER, Grundherrschaft (2000), S. 76; KUCHENBUCH, Klostergrundherrschaft, S. 324f.
 
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