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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0155

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Die Merowingerzeit

151

die Ministerialen"^. Explizit gegen Below formulierten Theodor Mayer und Gerd
Tellenbach den heutigen Konsens, daß nicht das Amt adle, sondern der Adel die
Ämter besetzt habe^k
Eine zumindest partiell unterschiedliche Sicht ergibt sich allerdings, wenn man
der Ansicht Karl Ferdinand Werners über die Fortdauer der spätantiken noMz'Ds
als Rangklasse folgt. Werner schließt sich hier einer Formulierung von Robert
Scheyhing an: Das Amt habe demnach tatsächlich geadelt, aber normalerweise den
adligen Mann erfordert^. Werner definiert den frühmittelalterlichen Adel konse-
quenterweise auch als die Gemeinschaft jener Familien, die Amtsinhaber stellten
oder stellen konnten.
Die unterschiedlichen Einschätzungen haben Folgen für die Interpretation von
Einzelfällen. Beispiele von Unfreien oder Minderfreien, die durch die Bekleidung
von Ämtern sozial aufstiegen, galten der älteren Forschung als klassische Belege
für die These, daß eine besondere Abstammung eben nicht für eine Karriere im
„Staatsdienst" erforderlich war^?. Der heutigen Forschung erscheinen sie dagegen
als seltene Ausnahmefälle. Sicher zu entscheiden aber ist die Frage, ob etwa Leu-
dast, der im 6. Jahrhundert zum Grafen von Tours ernannt wurde, eine typische
oder eine Ausnahmekarriere machte, natürlich nichts
Dasselbe Problem wirft die Interpretation der Aussagen von Quellen über sol-
che Aufstiegsprozesse auf. Berühmt geworden ist der Fall des aus der Unfreiheit
stammenden Erzbischofs Ebo von Reims, der sich von Thegan, dem Biographen
Ludwigs des Frommen, Vorhalten lassen mußte, daß ihn der König zwar zum
Freien (üTgr) gemacht habe, aber nicht zum Adligen ftioMz's), da dies unmöglich
seRS9. Dem größten Teil der Forschung gelten diese Ausführungen als „Schlüssel-
satz" zum Verständnis des mittelalterlichen Adels: Das Amt, so wurde daraus
geschlossen, adelte also nicht; nicht einmal dem König sei es möglich gewesen,
Ebo den Status eines Adligen zu verleihen^". Prinzipiell allerdings wäre auch eine
andere Deutung möglich, auf die Timothy Reuter hingewiesen hat. Thegan könnte
mit seiner Kritik vor dem Hintergrund der Vorstellungen vom Tugendadel einfach
nur Ebos persönliche Unwürdigkeit hervorgehoben haben: „Ebbo in particular
was so ignoble in spirit that no one could have ennobled him"^k

284 A. DOPSCH, Staat, S. 116.
285 Vgl. Th. MAYER, Ausbildung, S. 290; TELLENBACH, Reichsadel, S. 892f.
286 Vgl. WERNER, Adelsfamilien, S. 71; vgl. R. SCHEYHING, Adel, in: HRG 1,1971, Sp. 42t.
287 Vgl. nur H. BRUNNER, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 228.
288 Vgl. GEARY, Merowinger, S. 136.
289 Vgl. Theganus: Gesta Hludowici imperatoris, hrsg. v. E. TREMP, MGH SS rer. Germ. 64, Hannover
1995, c. 44, S. 232.
290 Vgl. nur OEXLE, Aspekte, S. 22; GOETZ, Nobilis, S. 171,176; H. KELLER, Archäologie, S. 40 Anm. 124.
291 T. REUTER, Medieval Nobility (1997), S. 180f.
 
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