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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0173

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Die Merowingerzeit

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in den Quellen zu finden ist, läßt sich natürlich unterschiedlich erklären: Man
kann dies als Kritik anführen, man kann allerdings mit Franz Irsigler darauf ver-
weisen, daß hier eben nur eine unbewußte Handlung vorliegWL
Im wesentlichen kompatibel mit der Ansicht von Frantisek Graus waren die
Untersuchungen Hagen Kellers über die Viten von heiligen Bischöfen aus dem
burgundisch-alamannischen RaunWü Im 6. Jahrhundert werde die asketische Le-
bensweise der Heiligen betont, die vornehme Abstammung erschien demgegen-
über als unbedeutend. Bei den Heiligen habe es sich zwar um Adlige gehandelt,
wesentlich aber sei ihr Rückzug von der Welt gewesen. Seit dem Ende des 7. Jahr-
hunderts sei eine Spannung in den Viten festzustellen. Die adlige Herkunft wurde
hervorgehoben, um die Tiefe der Abkehr von der Welt zu demonstrieren. Edle
Herkunft erschien jetzt als ein Hindernis für Heiligkeit. Von „Adelsheiligen" kön-
ne man erst für das 9. und 10. Jahrhundert sprechen: Erst jetzt rühmte man die
edle Abkunft von Heiligen, die als Gründer von Kirchen und Klöstern hervorge-
treten waren. Anhand einer Analyse der Vita Heimrads (gest. 1019) von Ekkebert
aus den Jahren zwischen 1072-90 demonstrierte Keller, daß der Adelsheilige im 11.
Jahrhundert durch den Heiligen niedriger Herkunft ersetzt worden isWk Heimrad
wurde als verachteter, geschundener und heimatloser panpcr C/in'sfz dargestellt.
Auch Thomas Zotz wies darauf hin, daß vornehme Herkunft und Reichtum in den
Viten hervorgehoben worden sind, da sie ein Hindernis für die Heiligkeit bilde-
ten*^.
Mit der Abkehr von der starken Betonung germanischer Kontinuitäten began-
nen die Versuche, den „Adelsheiligen" des frühen Mittelalters auf die Leitbilder
der römischen Spätantike zurückzuführen. Insbesondere Martin Heinzeimann
verwies auf Kontinuitäten, die bis dahin nicht berücksichtigt worden waren^t Die
Heiligenviten seien Fortsetzungen der Undahotics /mzcHgs, der Ehrungen von
Funktionären des Römischen Reichs in der Spätantike. Die Lebensbeschreibungen
der merowingischen Bischöfe dienten ganz offensichtlich nicht nur dazu, „den
Weg des Heiligen zu Gott darzustellen, sondern den Erfolg des Bischofs in dieser
Welt" zu beschreiben^. Von Adelsheiligen wollte Heinzeimann demnach bereits
für das 4. und 5. Jahrhundert sprechen, als die spätrömische Aristokratie auch die
Herrschaft über die hohen Kirchenämter übernahm^. Die Viten beschrieben häu-
fig die vornehme Abkunft und die erfolgreiche staatliche Lautbahn; sie seien Aus-
druck einer Epoche, in der sich christliches Gedankengut mit den Traditionen und
dem ethischen Anspruch der sozial und politisch führenden Schicht auf eine be-

416 Vgl. IRSIGLER, Untersuchungen, S. 77.
417 Vgl. H. KELLER, Mönchtum.
418 Vgl. H. KELLER, Adelsheiliger.
419 Vgl. ZOTZ, Adel, Oberschicht, S. 18.
420 Vgl. HEINZELMANN, Aspekte.
421 HEINZELMANN, Aspekte, S. 361.
422 Vgl. HEINZELMANN, Bischofsherrschaft.
 
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