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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0269

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König und Adel im Ostfrankenreich

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akzeptierten positiven Einschätzungen der Fürsten in der Landesgeschichte des
19. Jahrhunderts abzuheben. Schmeidler verwies darauf, daß sich noch im 18. und
beginnenden 19. Jahrhundert Historiker wenig am Nationalstaat orientiert hätten;
der häufigste Bezugspunkt sei, etwa bei Bünau, Häberlin, Hahn u.a., der deutsche
Territorialstaat gewesen. Die Vorstellung vom Königtum als Orientierungspunkt
der Geschichtsbetrachtung finde sich erst später; Schmeidler nannte dabei u.a.
Giesebrecht und Ficker, die die vorherrschende Sicht geprägt hätten, meinte aber
darüber hinaus nicht zu Unrecht, daß man im Prinzip fast alle bedeutenden deut-
schen Verfassungshistoriker anführen könneN
Kompatibel mit dieser Neubewertung war die klassische Arbeit von Fritz Kern
über das Widerstandsrecht im Mittelalter, in der der rechtsgeschichtliche Hinter-
grund adliger Unbotmäßigkeit erhellt werden sollte^. Kerns Lehre, daß die Kon-
flikte zwischen Adel und König in einer objektiven Rechtsordnung aufgehoben
waren, ersetzte die Vorstellung vom König als Quelle allen Rechts und ließ Auf-
stände nicht länger als prinzipielle Verstöße gegen das Recht, sondern als Realisie-
rung eines althergebrachten Widerstandsrechts erscheinen.
Ein theoretisch begründetes Fundament erhielten diese Neueinschätzungen
dann mit der These von den autogenen Hoheitsrechten. Da adlige Herrschaft eben
nicht auf einen königlichen Auftrag zurückging, sondern auf eine eigenständige
Legitimationsbasis, wurden Aufstände normativ anders bewertet. Insbesondere
Theodor Mayer hat in seiner grundlegenden Abhandlung über „Fürsten und
Staat" von adligen Machthabern mit eigenständiger Legitimation und Herr-
schaftsbasis gesprochen, die das alte Recht der „Teilhabe am Reich" einforderten,
wenn sie ihre Mitwirkungsmöglichkeiten und ihren Einfluß beim König bedroht
sahenN Da Mayers Ansicht auf seinen Vorstellungen über die Bedeutung der
Stammesherzogtümer für die Entstehung des Deutschen Reichs beruhte, schrieb er
diese Stellung allerdings im wesentlichen dem reichsfürstlichen Adel zu, jener
Spitzengruppe, die im Besitz der Herzogtümer gewesen sei und sich zum Reichs-
fürstenstand weiterentwickelte.
Das Ziel der Könige mußte somit nicht etwa sein, verlorene Rechte der Monar-
chie einzufordern, sondern die autogenen Grundlagen adliger Macht zu untermi-
nieren. Die Konfliktlinie lief in dieser Perspektive zwar weiterhin zwischen König
und Adel, doch erschienen die Auseinandersetzungen jetzt als Ausdruck eines
Kampfes, in dem Adlige die althergebrachte Eigenständigkeit ihrer Herrschaft
bewahren oder ausbauen wollten.
Stefan Weinfurter hat im Rahmen seiner These von der Zentralisierungspolitik
Heinrichs II. denn auch explizit davon gesprochen, daß diese auf die Zerstörung
der Grundlagen autogener oder königsgleicher Adels- und Herzogsmacht gezielt
72 Vgl. SCHMEtDLER, Königtum, S. 2836
73 Vgl. KERN, Gottesgnadentum, S. 138-174.
74 Vgl. Th. MAYER, Fürsten, S. 215-247.
 
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