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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0290

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286

Kapitel 5

seiW Die monarchische Komponente sei isoliert worden; das Reich sei ohne der
Herrschaftsautorität des Königs nicht in der Lage gewesen, sich zum modernen
Staat zu entwickeln. Wenn man mit Bernd Schneidmüller das ausgesprochen weit
gefaßte Konzept der „konsensualen Herrschaft" vertritt, erscheint das späte Mit-
telalter als eine Epoche, in der sich die politische Grundstruktur des Reichs stabili-
sierte und schließlich in dauerhafte rechtliche Formen gegossen wurde. Dezidiert
wandte sich Schneidmüller dabei gegen ein Geschichtsbild, in dem die „Faszinati-
on des gesetzesgelösten Herrschers" Dreh- und Angelpunkt von Beschreibungen
wie Erklärungen warW
Damit fällt auch ein neues Licht auf eine Frage, die in der älteren Forschung
gewöhnlich nicht aufgeworfen worden ist: Sahen die Könige überhaupt ein grund-
legendes Problem für ihre Herrschaft durch die Positionen des Adels und insbe-
sondere der Fürsten? Bis in die jüngere Zeit schien kaum zweifelhaft zu sein, daß
es im Interesse der Herrscher liegen mußte, die reichsrechtliche Stellung des Adels
einzuschränken. Zumindest implizit wurde davon ausgegangen, daß die Könige
durchaus die Absicht verfolgten oder zumindest verfolgen wollten, einen „moder-
nen" Staat zu errichten oder - so die ältere Sicht - die zukunftsweisenden Elemen-
te von Staat und Staatlichkeit der fränkischen Zeit zu verteidigen oder wiederher-
zustellen versuchten.
Schon Heinz Angermeier hat darauf hingewiesen, daß diese Grundannahme
keineswegs selbstverständlich ist und durchaus nicht mit der Sicht der Zeitgenos-
sen identisch sein muß. Die „Nicht-Vereinigung" von Landrecht und Lehnrecht in
der königlichen Gewalt habe den Wünschen der Zeitgenossen entsprochen; das
Mittelalter habe bis ins 15. Jahrhundert hinein „den Staat in unserem modernen
Verständnis a priori nicht (gewollt)"W Daß diese Sicht nicht zuletzt auf Anger-
meiers Einschätzung der Reichsreform basiert (die von Moraws Ansichten erheb-
lich abweicht), liegt auf der Hand. Die Grundidee ist allerdings auch in anderen
Zusammenhängen entwickelt worden. Gerade die Ergebnisse der neueren Kon-
fliktforschung sind mit dieser Auffassung kompatibel. So hat Hanna VollrathW
anknüpfend an Karl LeyseWL vermutet, daß Barbarossa heimgefallene Lehen
nicht behalten wollte. Eine Konfliktlinie „Fürsten vs. König" in einer Auseinander-
setzung um Staatlichkeit sei am Ende des 12. Jahrhunderts nicht zu sehen. Gerade
neuere Barbarossa-Bilder in der Literatur lassen Zweifel daran aufkommen, ob der
Kaiser wirklich Herrschaftskonzeptionen verfolgt hat, die auf eine Zentralisie-
rungspolitik hinausliefeNA Die These von einer Staatsreform der Hohenstaufen

173 Vgl. E. SCHUBERT, König, S. 296.
174 VgL SCHNEIDMÜLLER, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 84-86.
175 ANGERMEIER, König, S. 182.
176 Vgl. VOLLRATH, Ordnungsvorstellungen, S. 49f.
177 Vgl. ÜEYSER, Frederick Barbarossa.
178 Vgl. GÖRICH, Barbarossas Ehre, S. 371, 377.
 
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