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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0311

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Die Struktur der adligen Familien: Von der Sippe zum Geschlecht

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Schmid meinte, daß die Erforschung des mittelalterlichen Adels Aufgabe einer
historischen Geschlechterkunde seiA
Mit dieser Prämisse wurden neue Quellen erschlossen, die bislang für die her-
kömmliche Forschung eher uninteressant gewesen waren. Die frühmittelalterliche
Sozialstruktur habe sich, so wurde angenommen, in den sogenannten Memorial-
quellen und insbesondere in den Verbrüderungs- und Gedenkbüchern des 8. bis
10. Jahrhunderts niedergeschlagen-^. In den Namenlisten werde eine soziale
Gruppenbildung erkennbar, die nach zwei Prinzipien erfolgt sei. „Klostergemein-
schaften und Adelssippen bildeten die Kerne im frühmittelalterlichen Sozialgefü-
ge"A Dieser personengeschichtliche Ansatz eröffnete mehrere Fragestellungen.
Zum einen schien es nun möglich zu sein, Klosterkonvente und Verwandtschafts-
kreise zu rekonstruieren. Dies erlaubte auch, die „Außenbeziehungen" von Klo-
stergemeinschaften zu erforschen und Fragen nach der sozialen Herkunft und
nach den sozialen Beziehungen zur Faienwelt zu beantworten. So thematisierte
etwa Eckhard Freise in seiner Arbeit über den Einzugsbereich der Klostergemein-
schaft von Fulda die sozialen Wechselwirkungen und -Beziehungen zwischen
Konvent und sozialer UmweltA
Zum anderen ermöglichten diese Quellen die Untersuchung von adligen
Gruppen und Einungen sowie von politischen Beziehungen einzelner Adelsfamili-
en untereinander; in einigen Fällen wurde sogar der Anspruch erhoben, politische
„Parteien" zu erfassen. Insbesondere Gerd Althoff hat sich mit Freundschaftsbün-
den in Form genossenschaftlicher Einungen am Beginn der ottonischen Zeit be-
faßt. Gerade in den Verbrüderungs- und Gedenkbüchern sowie in Nekrologien
werde die Politik Heinrichs I. sichtbar, das Reich mit Hilfe von üTw'cz'hü-Bündnissen
mit den Großen zu konsolidieren, die Grafen und sonstigen Adligen für sich zu
gewinnen, die Krise am Beginn des 10. Jahrhunderts zu überwinden und auf diese
Weise letztlich die Ungarn zu besiegen A
Den Strukturwandel der adligen Familie hat insbesondere Karl Schmid in zahl-
reichen Arbeiten untersuch tA Der Ansatz war zumindest indirekt die Folge des
Perspektivenwechsels in der Geschichtsschreibung: Die Grundzüge der These
hatte seinerzeit bereits Otto von Düngern im Rahmen seiner „soziologischen"
Betrachtungsweise entworfen^, und die landesgeschichtlich orientierte Abhan-
dlung von Joseph Sturm über die Anfänge des Hauses Preysing hatte schon ein

24 Vgl. K. SCHMID, Problematik, S. 239.
25 Zur Forschung und zu den Bezeichnungen der Quellen vgl. BORGOLTE, Memoria. Zur Programmatik
vgl. auch SCHMID/ WOLLASCH, Gemeinschaft.
26 K. SCHMID, Verhältnis, S. 386.
27 Vgl. FREISE, Studien.
28 Vgl. ALTHOFF, Adels- und Königsfamilien; DERS., Unerforschte Quellen; DERS., Amicitiae und Pacta;
DERS., Verschriftlichung.
29 Vgl. dazu v.a. K. SCHMID, Geblüt; DERS., Problematik; DERS., Struktur; DERS., Verhältnis; DERS., Heirat.
30 Vgl. DÜNGERN, Thronfolgerecht, S. 30; DERS., Adelsherrschaft, S. 53.
 
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