Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0352

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
348

Kapitel 7

durch untertänige Erziehung und abstumpfende Tätigkeit nur als Werkzeug sei-
nes Herrn fühlen. Für einen Freien mußte Not bedrückend sein'A
Gegen Bosl hat allerdings Franz Irsigler eingewandt, daß die materielle Kom-
ponente des Wortes panpcr nicht zu unterschätzen seih Was den panper der karo-
lingischen Kapitularien der Unterdrückung durch die poUwfes ausliefere, sei in
erster Linie seine wirtschaftliche Unterlegenheit; die Frage des Rechtsstandes sei
demgegenüber kaum relevant. Irsigler knüpfte an seine Untersuchungen über den
fränkischen Adel an und bemerkte, daß nicht jeder dzücs automatisch ein poUns sei,
da Reichtum noch keine Herrenstellung begründe, sondern nur die Voraussetzung
für eine solche Stellung sei. Von homogenen Schichten, in die die Gesellschaft
zerfallen wäre, könne man nicht sprechen.
Der Wandel der Ordnungsschemata, der zum Entwurf eines veränderten Ge-
sellschaftsbildes führte, fand auf dem Kontinent im H. Jahrhundert statt; das neue
Bild verbreitete sich im 12. Jahrhundert und blieb in seinen Grundzügen gültig bis
zur Französischen Revolution. Adalbero von Laon und Bischof Gerhard von
Cambrai haben auf dem Kontinent dieses Schema als erste näher dargelegt. Die
Grundidee der Differenzierung ist leicht erkennbar: Funktionen unterscheiden
Menschen und weisen ihnen ihren Platz in der Gesamtgesellschaft zu.
In einer klassischen Abhandlung betrachtete Georges Dumezil die Unterschei-
dung der drei onü'wcs der Arbeiter/Bauern, der Priester und der Krieger sogar als
eine Besonderheit der indoeuropäischen Kultur und versuchte, die weit zurücklie-
genden mythischen Anfänge zu erhellen. Das Auftauchen dieser Denkfigur im 11.
Jahrhundert wurde von der neueren Forschung mit der Entstehung der Gottes-
friedensbewegung in Frankreich in Verbindung gebracht, allerdings recht unter-
schiedlich erklärt. Duby, dessen ausführliche Untersuchung den Rang eines Klas-
sikers zugesprochen bekam, betrachtete dieses Modell als Reaktion einer konser-
vativ eingestellten Geistlichkeit auf die gesellschaftlichen Änderungen im Zuge
des 9. und 10. Jahrhunderts, die gerade in der Gottesfriedensbewegung deutlich
würden. Das Modell sei Ausdruck der Ablehnung eines sozialen Umbruchs und
der daraus resultierenden „Unordnung'^.
Diese Deutung ist nicht durchgehend akzeptiert worden; insbesondere im
Hinblick auf die als zentral erachtete Frage, in wessen Interesse diese Darstellung
war, gibt es verschiedene Antworten. So meinte etwa Le Goff, daß das Schema
nicht reaktionär sei; es handle sich nicht, wie Duby meinte, um das Werk konser-
vativer Geistlicher^. Le Goff sprach von einem ideologischen Instrument, mit des-
sen Hilfe dem noch nicht sonderlich stabilen kapetingischen Königtum eine
Schiedsrichterrolle im Sinne der Friedenssicherung zuerkannt worden sei. Das

4 Vgl. IRSIGLER, Divites, S. 449f.
5 Vgl. DUBY, Ordnungen, S. 96, 240-247, passim.
6 LE GOFF, Les trois fonctions, S. 1193t. Vgl. zum Problem auch FLORI, LIdeologie, S. 160-165.
 
Annotationen