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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0374

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370

Kapitel 9

Am Beginn der modernen Ministerialenforschung stand die Arbeit August von
Fürths aus dem Jahre 1836; gerade bei den Untersuchungen, die vor dieser Ab-
handlung entstanden waren, ist der „zeitbedingte" Hintergrund ohne weiteres
erkennbar. Im Rahmen der Verfassung des alten Reichs war seinerzeit insbesonde-
re für die schwäbischen Verhältnisse diskutiert worden, ob man von einer Stan-
desgleichheit zwischen dem hohen und dem niederen Adel sprechen könne. Da-
mit verbunden worden war u.a. die Frage nach der Reichsstandschaft des niederen
AdelsF Fürth verfaßte eine juristische Preisschrift, die, nach einem kurzen chrono-
logischen Überblick, im wesentlichen systematisch konzipiert war; der Schwer-
punkt lag natürlich bei den juristischen, insbesondere ständerechtlichen Proble-
men. In dieser Perspektive betrachtete er denn auch den Aufstieg von Dienstman-
nen in karolingischer und sogar vorkarolingischer Zeit als Teil des Phänomens.
Noch in Heinrich Brunners Rechtsgeschichte wird diese Sicht und die damit ver-
bundene Definition verwendet: Ministeriale habe es schon in merowingischer Zeit
gegeben^.
Fürth übernahm eine Streitfrage, die bis heute nicht sonderlich viel an ihrer
Aktualität verloren hat und für die Untersuchungen des ausgehenden 18. und
beginnenden 19. Jahrhunderts eindeutig die Leitfrage gewesen war: Stammten die
Ministerialen des hohen Mittelalters aus der Unfreiheit oder aus der Freiheit?
Fürth formulierte die sogenannte „Amtstheorie": Die Bekleidung der Hofämter
habe für Unfreie den sozialen Aufstieg ermöglicht, eine „wesentliche Eigenthüm-
lichkeit der Ministerialität" sei die Unfreiheit gewesen^. Dies schien ihm ein Phä-
nomen zu sein, das sich bereits für die fränkische Zeit nachweisen lasse; die von
ihm sehr wohl erkannte Tatsache, daß im Karolingerreich auch Grafen und Bischö-
fe als müüsUnüUs in den Quellen erscheinen, deutete er als das Resultat der Über-
tragung des Begriffs von „Hausdienern" auf alle „Staatsbeamten"^. Georg Waitz
setzte in seiner Verfassungsgeschichte die Akzente etwas anders, ohne sich aber
von Fürth deutlich zu distanzieren. Waitz hob generell die Bedeutung von Dien-
sten hervor, wobei ihm insbesondere Kriegsdienste wichtig zu sein schienen^. Den
Prozeß des Aufstiegs der Ministerialen erklärte er unter Verwendung einer Vor-
stellung, die für die ältere Sicht der allgemeinen verfassungsgeschichtlichen Ent-
wicklung charakteristisch ist: Ämter seien zu Lehen geworden, und dies habe zur
Folge gehabt, daß rechtliche Beschränkungen entfielen. Waitz hatte damit ein Er-
klärungsmodell angeboten, das dann auch in mehreren Regionalstudien umge-
setzt worden istA Alfons Dopsch dagegen sah die Anfänge der Ministerialität bei
5 Vgi. FÜRTH, Ministerialen, S. VI.
6 Vgl. H. BRUNNER, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 374f.
7 Vgl. FÜRTH, Ministerialen, S. 113.
8 Vgl. FÜRTH, Ministerialen, S. 24.
9 Vgl. WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 322-393, bes. S. 359, 386.
10 Vgl. etwa NlTZSCH, Ministerialität; KLUCKHOHN, Ministerialität in Südostdeutschland; E. MÜLLER,
Ministerialität; J. AHRENS, Ministerialität.
 
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