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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0403

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Ministerialität

399

rade bei Heinrich Mitteis ist unverkennbar, daß er vor allem rechtlichen Entwick-
lungen eine entscheidende Rolle bei der Erklärung von Unterschieden zwischen
Deutschland und Frankreich zuerkannte und damit Zeglins Meinung an einer
nicht unwichtigen Stelle in sein Bild vom Staat des hohen Mittelalters einfügen
konnte. Die These, daß gerade die Ministerialität ein entscheidendes Moment für
den „Staatsaufbau" des hohen Mittelalters, insbesondere im Rahmen einer „Staats-
reform" der letzten salischen und der staufischen Herrscher gewesen sei, findet
sich sowohl bei ihm als auch bei Karl Bosl. Dabei betonte Mitteis explizit, daß Pi-
renne vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen zurückzuweisen sePA Ähnlich sah
dies Forst-Battaglia, der aber immerhin annehmen wollte, daß man in Frankreich
Personen vorfinden könne, die den deutschen Ministerialen ständisch gleichstan-
den^A
Die französische Forschung bewegte sich eher in den Spuren von Pirenne,
wenngleich dessen Sicht erheblich modifiziert wurde. Generell ging man in Frank-
reich - implizit oder explizit - davon aus, daß man, sozialgeschichtlich betrachtet,
in beiden Reichen von einer ähnlichen Entwicklung sprechen könne. Als zentrale
Frage erschien daher, weshalb sich dennoch ein rechtlicher Unterschied feststellen
ließ. Auch Frangois Fouis Ganshof meinte, daß die gesellschaftliche Entwicklung
in Frankreich schneller verlaufen sei und die unfreien Dienstmannen schon im 11.
Jahrhundert im Adel aufgegangen seien^A Marc Bloch lehnte Zeglins Ansicht
ausdrücklich ab, da er im Rahmen seines Ansatzes Entwicklungsunterschiede
zwischen Deutschland und Frankreich für diese Zeit verneinen mußte. Bloch bot
eine Erklärung an, die vielleicht durch seine Interpretation der Fex Saxonum, mög-
licherweise aber sogar von seinem Deutschlandbild geprägt war: Das deutsche
Adelsrecht sei rigider und umfasse stärkere Differenzierungen gerade in der Spi-
tzengruppe. Hinzu komme, daß die Ministerialen in Deutschland zu zahlreich
gewesen seien, um „unbemerkt" integriert werden zu können^. Den Kontext
dieses Problems bildete natürlich Blochs Einschätzung der Bedeutung eines auf-
steigenden „neuen" Adels, der von Menschen niederer Herkunft gebildet wurde.
Karl Bosl stimmte der Auffassung zu, daß das Fehnrecht in Frankreich moder-
ner und sehr viel wichtiger gewesen sePA Die Frage, wer ein Fehen hatte, sei im
Westen für die Zugehörigkeit zum Adel zentral gewesen, nicht die landrechtliche
Stellung.

212 Vgl. MITTEIS, Staat, S. 174.
213 Vgl. FORST-BATTAGLIA, Herrenstand, S. 14. Forst-Battaglia verwies dabei auch die Forschungen von
GANZENMÜLLER, Ministerialität, S. 30t., über die Verhältnisse in Flandern, der unter einem Arno ü'gi-
MS einen Ministerialen verstand.
214 Vgl. GANSHOF, Etüde, S. 376.
215 Vgl. BLOCH, Probleme, S. 89ff.; DERS., Feudalgesellschaft, S. 414t.
216 Vgl. BOSL, Ius, S. 296, 320ff.; DERS., Reichsministerialität, S. 22; DERS., in: AUBIN/ZORN, Handbuch, S.
240f.
 
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