Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0432

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
428

Kapitel 10

riker, die in jüngerer Zeit immer mehr die eigenständige Stellung Adliger sogar in
karolingischer Zeit hervorheben. Barthelemy hat explizit gegen Werner einge-
wandt, daß man den Charakter der Staatlichkeit in der Karolingerzeit nicht über-
schätzen solleA
Für die besser dokumentierten Verhältnisse in Italien entwarf allerdings klagen
Keller ein Bild, das für den Zeitraum der Auflösung des Karolingerreichs im we-
sentlichen tatsächlich von Kontinuität geprägt warH Der wzlgs-Titel sei seit dem
10. Jahrhundert offenbar für Adlige mit ansehnlicher Machtgrundlage verwendet
worden, wobei die Ausübung weltlicher Gewalt ebenso eine zentrale Rolle spielte
wie der Dienstgedanke (im Hinblick auf den König). Zunächst sei mit dieser Be-
zeichnung der Gedanke der Mitverantwortung im Dienst der öffentlichen Gewalt
ausgedrückt worden, dann erst sei der militärische Sinn dominant geworden.
Capitanei, königliche Vasallen, und Valvassores, die sich wohl aus der Schicht
jener begüterten Freien rekrutierten, die in karolingischer Zeit den vollen Wehr-
dienst leisten konnten, bildeten nach Keller im 12. Jahrhundert den als orzio zzzdz'fzzzzz
bezeichneten Ritterstand mit Sonderrechten; man könne von einer organisierten,
im politischen Leben gemeinsam handelnden Gruppe sprechen, die auf ein Gebiet
bezogen war. Daneben habe es andere „Ritter" mit gleicher Lebensweise gegeben,
die aber nicht zum Ritterstand gehörten, sondern aus dem Volk aufgestiegen wa-
ren. Bis ins 14. Jahrhundert habe diese soziale Trennlinie existiert. Nach dieser
Einschätzung ist das Rittertum keineswegs in einer sozial niederen Sphäre ent-
standen.
Jean Flori hob ebenfalls die Kontinuität des Gedankens des öffentlichen Dien-
stes hervor, zog allerdings eine andere KontinuitätslinieG Die Forderungen der
christlichen Ethik, die, wie etwa der Schutz, aus biblischem Gedankengut stamm-
ten, seien in der Karolingerzeit an den König herangetragen worden. Als die kö-
nigliche Zentralgewalt in Flandern, Frankreich und im anglonormannischen Raum
verfiel und die ursprünglich königlichen Aufgaben auf Waffenträger allgemein
übertragen wurden, sei aus dem religiösen Königsideal die ritterliche Ideologie
geworden. Dies habe zu einem sozialen Aufstieg der ztzzlzUs geführt. Konsequen-
terweise mußte Flori feststellen, daß auch in Frankreich das Rittertum erst im 12.
Jahrhundert entstanden sei, als die wz'iz'Us „von außen" eine positive Neubewer-
tung erfuhren^. Als wichtigen Indikator für die Tragfähigkeit seiner These be-
trachtete er die Entwicklung von Segnungen und Umgürtungen mit dem Schwert.

43 Vgl. BARTHELEMY, Qu'est-ce que la chevalerie, S. 35f., 39; DERS., Noblesse, S. 125,139; DERS., Castles,
S. 59 Anm. 17.
44 Vgl. H. KELLER, Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft; DERS., Adel in italienischen Kommu-
nen.
45 Vgl. FLORI, L'essor, S. 339-342; DERS., L'ideologie, 167-173; DERS., Chevalerie, noblesse, S. 266.
46 Vgl. FLORI, L'essor, S. 115, 223-230.
 
Annotationen