Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0434

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
430

Kapitel 10

sehen Imports gewesen seiA Sogar Josef Fleckenstein wollte noch an „germanisch-
karolingischen" Wurzeln des Rittertums festhalten, wies allerdings auf die ideolo-
gisch problematischen Kontexte dieser Sicht hinA
Im Zuge der Bemühungen, insbesondere die deutsche und die französische,
aber zumindest zum Teil auch die italienische Geschichte als Geschichte der Nach-
folgereiche und -Staaten des Karolingerreichs zu schreiben, wurde auch das Ritter-
tum als Phänomen verstanden, das in allen diesen Reichen entstanden sei, wobei
wechselseitige Beeinflussungen nicht ausgeschlossen wurden. Betont werden in
dieser Sicht die militärischen Wurzeln: Entstehung und die Weiterentwicklung der
Vasallität sowie die damit verbundene Spaltung der Freien in Krieger und Bau-
ern^ waren natürlich historische Prozesse, die in allen Nachfolgereichen des Karo-
lingerreichs auftauchten und, ebenso wie die kirchlichen Einflüsse, als bestim-
mende Voraussetzung für die Entstehung des Rittertums betrachtet wurden.
Die alte „Westwanderungsthese" ist demnach durch neuere Untersuchungen
auf den Bereich der höfischen Kultur beschränkt worden^. Aber nicht einmal dies
ist unumstritten. Nach C. Stephen Jaeger war die courtoisie eine Kreation des ot-
tonischen Hofklerus: Die Ideale einer für hohe Staatsaufgaben herangezogenen
Geistlichkeit seien auf die Laienwelt übertragen worden; höfische Umgangs- und
Verhaltensweisen waren Ausdruck eines Ideals, das auf römischen Vorbildern
basierte. Zunächst sei dies von den militärischen Gefolgsleuten aufgenommen
worden, die zum Hof des Herrschers gehörten. Darunter verstand Jaeger die Mi-
nisterialen, die er als Teil des unfreien Gefolges der Herrscher betrachtete. Die
Vorstellung vom ottonischen Reichskirchensystem war die Prämisse dieser These.
Dies wirft die Frage nach der konkreten Bedeutung der antiken Traditionen für
das Rittertum auf. Schon Otto Brunner hatte das Rittertum auch auf das Erbe der
„antiken Herrenwelt" zurückgeführtA Bereits erwähnt wurde, daß Karl Ferdinand
Werner unter mz'ies ein Amt der römischen Spätantike versteht, das keineswegs
nur militärisch bestimmt gewesen sei. Der Gedanke des öffentlichen Dienstes am
Gemeinwesen sei nie ganz verlorengegangen. Daraus zog Werner den Schluß, daß
das Rittertum keinen religiösen, sozialen oder feudalen, sondern einen staatlichen
Ursprung habe.
Werners Überlegungen zeigen das prinzipielle Problem jeder Kontinuitätstheo-
rie. Die Wurzeln eines derart komplexen Phänomens können - abhängig davon,
welche Dimension man für konstitutiv hält - sehr weit zurückgeführt werden.
Franco Cardini verwies auf materielle, psychologische und mythische Komponen-
ten, die bereits bei den Skythen, Sarmaten, Goten und selbstverständlich auch bei

53 Vgl. OTTO, Adel, S. 428-433.
54 Vgl. FLECKENSTEIN, Rittertum der Stauferzeit, S. 77.
55 Vgl. FLECKENSTEIN, Adel und Kriegertum, bes. S. 304f.
56 Vgl. PARAVICINI, Kultur, S. 57ff.
57 Vgl. O. BRUNNER, Landleben, S. 83.
 
Annotationen