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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0446

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442

Kapitel 10

Ereignis gewandelt, prägt die Handbücher^. Maurice Keen faßt den heutigen
Konsens zusammen: Die Unterschiede zwischen Turnieren und normalen Schlach-
ten seien noch im 12. Jahrhundert eher gering gewesen, doch habe sich dies in der
folgenden Zeit geändert"?. Josef Fleckenstein meinte, daß das hochmittelalterliche
Turnier zunächst offenbar gefährlicher und damit reizvoller gewesen sei als das
alte „Kampfspiel", von dem bereits in karolingerzeitlichen Quellen die Rede sei.
Dann aber seien Regeln eingeführt worden, und so sei nicht zuletzt durch die
Geschichte des Turniers zu erweisen, daß sich das Rittertum „vom Krieg zum
Frieden" entwickelt habe. Die These von der Humanisierung des Turniers im
Spätmittelalter findet sich auch bei Gamber und Jackson"^. Am Ende dieser Ent-
wicklung steht das Turnier als Teil des höfischen Festes"^.
Zumindest für die deutschen Verhältnisse wirft diese Einschätzung allerdings
erneut ein Problem der Quellenterminologie auf, dessen Bedeutung wenig Beach-
tung findet. Angesichts der komplexen Begrifflichkeit in den Quellen lassen sich
mehrere Typologien entwerfen, die nicht unbedingt mit dem vorherrschenden
Entwicklungsmodell kompatibel sind. So wandte etwa Joachim Bumke gegen die
herrschende Lehre ein, daß der Buhurt im Sinne eines Schaukampfs die frühere
Form des Turniers gewesen sei"°. Die These, daß sich das Turnier vom lebensge-
fährlichen Sport zur höfischen Zeremonie entwickelt habe, bedürfe für Deutsch-
land der Korrektur. Eine einfache „Lösung" für dieses Problem bot Jackson an: Da
der Buhurt eher ein Schauspiel als ein Kampf gewesen sei, könne man vielleicht
gar nicht von einer Unterform des Turniers sprechen"!. Barber und Barker mein-
ten, daß der Buhurt „vermutlich eine Art zwangloser Tjost" gewesen ist, der sich
in Deutschland bis ins 13. Jahrhundert hielt, ehe er verschwand oder die Unter-
schiede in Vergessenheit gerieten"?. Eine wiederum andere Auffassung ergibt sich,
wenn man Jean Flori folgt: Seiner Meinung nach war der Buhurt eher ein kriegeri-
sches Training, das durchaus sehr nahe am wirklichen Kampf sein konnteW
Die Problematik der Begriffe zeigt sich deutlich an der eigentlich recht einfa-
chen Frage des deutschen Erstbelegs für das Wort Turnier. Der erwähnte Bericht
Ottos von Freising zu 1127 bietet keine näheren Angaben über den genauen Ab-
lauf der Ereignisse. So vermutete Josef Fleckenstein, daß Otto von einem „älteren
Kampfspiel" sprach, das in ein feindliches Treffen übergegangen sei, da bestimmte
Merkmale des Turniers, wie etwa die förmliche Einladung und der feste Rahmen,

116 Vgl. BARßER/BARKER, Geschichte, S. 16, dazu auch aber einschränkend S. 13.
117 Vgl. KEEN, Rittertum. S. 132.
118 Vgl. GAMBER, Ritterspiel, S. 516; JACKSON, S. 289.
119 Vgl. PARAVICINI, Kultur, S. 13f.; FLECKENSTEIN, Turnier.
120 Vgl. BUMKE, Höfische Kultur, Bd. 1, S. 359f.
121 Vgl. JACKSON, Turnier, S. 263f.
122 Vgl. BARßER/BARKER, Geschichte, S. 13, 213, 215.
123 Vgl. FLORI, Chevalerie (1999), S. 207.
 
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