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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0450

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446

Kapitel 10

des Rittertums aus diesem Grund nicht zutreffend Auf der Hand liegen dürfte,
daß diese Auffassung auf der im Vergleich zur Literatur des 19. Jahrhunderts er-
heblich positiveren Einschätzung des späten Mittelalters beruhte. Diese Sicht ist
auf allgemeine Zustimmung gestoßen^ und schließlich als Grundlage für Unter-
suchungen zahlreicher Teilbereiche des Ideals übernommen worden. Karl Bosl
hatte noch ein Bild der höfischen Frau entworfen, das von der Vorstellung geprägt
war, durch die Ideale des Rittertums hätten Frauen eine hervorragende Stellung
erreicht; sogar von der „Emanzipation" der Frau könne man sprechend Bosl be-
trachtete dies als eine Erscheinung im Rahmen des allgemeinen gesellschaftlichen
„Aufbruchs" im hohen Mittelalter, zu dem etwa auch der Aufstieg der Ministeria-
lität zu zählen sei. Demgegenüber ist man sich heute darüber einig, daß das Frau-
enbild der höfischen Kultur weitgehend als dichterische Fiktion betrachtet werden
mußd Ähnliches gilt etwa für die zeitgenössische Hofkritik, die nach Thomas
Szabö ebenfalls weniger auf Verfallserscheinungen, sondern auf den Vergleich mit
einem unrealistischen Ideal zurückzuführen istd In jüngerer Zeit hat allerdings
Richard Kaeuper vor allzu schroffen Gegenüberstellungen gewarnt. Das ritterliche
Ideal sei in einer Form erreicht worden, wie jedes „set of human ideals" in einer
unvollkommenen Welt erreicht werden könned
Felix Niedner hatte im 19. Jahrhundert auch von einem Verfall des Turniers ge-
sprochen und daraus den Schluß gezogen, man könne vom Niedergang des Ritter-
tums im späten Mittelalter insgesamt sprechend Heute wird diese Einschätzung
unisono abgelehnt: Auch für das Turnierwesen gelte, daß die zeitgenössische Kri-
tik auf dem Vergleich mit einem übersteigerten Ideal beruhted
Im Falle des Turniers verweist diese Problematik allerdings auf einen umfas-
senderen Zusammenhang. Die Frage, in welcher Weise ritterliche Ideale die Wirk-
lichkeit beeinflußten, wird unterschiedlich beantwortet. Klassisch geworden ist die
These von Johan Huizinga. Zunächst müsse man von einer Kluft sprechen, dann
allerdings sei versucht worden, die Ideale des Rittertums auch im Krieg zu reali-
sierend Die Vorstellung vom Krieg als einem ausgedehnten Duell, bei dem es

144 Solche Vorstellungen vertrat etwa noch VAN WINTER, Rittertum. S. 95f. Vgl. ferner MASSMANN,
Schwertleite, S. 93.
145 Vgl. etwa BUMKE, Höfische Kultur, Bd. 2, S. 430-452; KORTÜM, Menschen, S. 53-76.
146 Vgl. BOSL, Aufbruch, S. 22ff. Vgl. dazu aber auch die etwas einschränkenden Bemerkungen in DERS.,
Grundlagen, Bd. 2, S. 338.
147 Vgl. BUMKE, Höfische Kultur, Bd. 2, S. 453; RÖSENER, Frau. Zum Unterschied zwischen dem Konzept
der höfischen Liebe und den tatsächlichen Verhältnissen vgl. SCHNELL, Causa amoris, S. 80-137;
BUMKE, Bestandaufnahme, S. 449-552; LlEBERTZ-GRÜN, Soziologie; M. MURRAY, Miles, S. 168-178.
148 Vgl. SZABÖ, Hof; vgl. auch BUMKE, Höfische Kultur, Bd. 2, S. 583-594; PARAVICINI, Kultur, S. 46f.
149 KAEUPER, Chivalry and Violence, S. 3.
150 Vgl. NlEDNER, Turnier, S. 89f.
151 JACKSON, Turnier, S. 268ff.; PARAVICINI, Kultur, S. 48; RÖSENER, Wirtschaftsverhältnisse, S. 319;
FLECKENSTEIN, Nachwort (1985), S. 638.
152 Vgl. HUIZINGA, Bedeutung; ferner DERS., Herbst, S. 126-146; DERS., Homo ludens, S. 101-118.
 
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