Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0466

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
462

Kapitel 11

sen und habe den Landherren vom Landesherrn unterschieden^. Wihoweit knüpf-
te nicht an der Annahme der älteren Forschung an, daß die Unterscheidung zwi-
schen öffentlichem und privatem Recht zu den Prämissen einer rechtshistorischen
Analyse der Verfassung des Mittelalters zählt. Diese Trennung sei vielmehr eine
Folge der Rezeption des Römischen Rechts. Der von der älteren Literatur hervor-
gehobene Unterschied zwischen der Legitimation fürstlicher und gräflicher Herr-
schaft, auf den etwa auch noch Hatzfeld verwies^, wäre demnach weder ein ur-
sprünglicher Zustand noch eine Folge der Einführung des „Reichsfürstenstandes"
und der „Gesetzgebung" Friedrichs II., sondern erst die Folge einer im Spätmittel-
alter bedeutsam werdenden Veränderung im Rechtsdenken. Johannes Merz ver-
weist darauf, daß der Fürstentitel für den Aufbau einer Landesherrschaft zwin-
gend nötig gewesen sei, betrachtet dies aber ebenfalls als eine Folge der Rezeption
des Römischen RechtsA In dieser Perspektive ist erklärbar, warum die Grafen
schließlich Interesse an Standeserhebungen zeigten.
Das Bündelungsmodell erlaubt auch die Vorstellung von „gescheiterten Versu-
chen", eine Landesherrschaft aufzubauen. Erst in der jüngeren Forschung sind
mehrere dieser Fälle unter diesem Aspekt untersucht worden^. Als Grundlage gilt
die Annahme, daß man von einem „Wettlauf" mit mehreren Konkurrenten spre-
chen kann. Die Probleme waren dabei offenbar grundsätzlich dieselben. Die Dy-
nastie starb aus oder der Herrschaftsbereich wurde durch zu häufige Teilungen
zersplittert. In mehreren Fällen wird man auch von einer ungünstigen Ausgangs-
basis sprechen können. Streubesitz erschwerte die Verdichtung des Herrschaftsbe-
reichs. Karl-Heinz Spieß hat in einer grundlegenden Arbeit über die sozialen Ver-
haltensnormen des nichtfürstlichen Adels bei 15 Grafen- und Herrengeschlechtem
gezeigt, daß dieses Problem den Zeitgenossen durchaus bewußt war und zu Ver-
suchen führte, angesichts der Gratwanderung zwischen Besitzzersplitterung und
Aussterben Gegenstrategien zu entwickeln, die vor allem in einer durchdachten
Heiratsplanung bestanden^.

63 Vgl. WlLLOWEIT, Grundherrschaft.
64 Vgl. HATZFELD, Geschichte, S. 42; vgl. auch S. 54. Hatzfeld meint, die Grafen seien im Grunde immer
„erbliche Beamte des Reiches" geblieben, während die fürstliche Herrschaft auf dem „allodialen Ei-
genrecht" basierte.
65 Vgl. J. MERZ, Fürst. Vgl. dazu i.ü. BELOW, Ursprung, S. 50.
66 Vgl. etwa EUGSTER, Territorialpolitik; KULENKAMPFF, Neuenahr; V. SCHÄFER, Hochadelsherrschaft; R.
SCHÄFER, Eppstein; PETKE, Grafen von Wöltingerrode-Wohldenberg.
67 Vgl. K.-H. SPIESS, Familie. Zum Problem vgl. insgesamt PRESS, Führungsgruppen, S. 550.
 
Annotationen