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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0474

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470

Kapitel 11

lehnrechtliche Beziehungen zu Grafen herzustellen, wird von Karl-Friedrich Krie-
ger als Versuch gedeutet, den Herrschaftsverband zu festigen""".
Die Entstehung der Reichsritterschaft wurde in der älteren Forschung gemein-
hin mit der Auflösung der Reichsministerialität im Zuge des Untergangs der Stau-
fer in Verbindung gebracht und mit den Anfängen des niederen Adels verknüpft.
Zur Beschreibung der Rahmenbedingungen dieses Prozesses wurde also auch für
diesen Fall die Verfallstheorie herangezogen. Roth von Schreckenstein oder Eber-
bach betrachteten demzufolge die Reichsministerialität als Vorstufe und siedelten
die Wurzeln der Reichsritterschaft im Hochmittelalter an"""; der Zerfall der Her-
zogtümer Schwaben und Franken galt als Ausgangsbedingungen für die bedeu-
tende Rolle, die die Reichsritter in diesen Gebieten später spielen sollten.
Schon Eberbach hat allerdings selbst darauf hingewiesen, daß keineswegs alle
Ritter von Anfang an „reichsfrei" gewesen seien"". Für eine primär institutionen-
geschichtlich orientierte Forschung war dies jedoch kein sonderlich großes Prob-
lem. Heute wird dagegen eher auf die Diskontinuitäten verwiesen. Nach Gerhard
Pfeiffer waren in Franken nur 10 Prozent der späteren Reichsritter Lehnsmänner
des Königs""; ging man von personengeschichtlichen Forschungen aus, mußte
eine andere Grundlage für die Stellung der Ritter gesucht werden. Kontinuitäts-
theorien waren in dieser Perspektive wenig überzeugend.
Im Kontext der neuen Sicht, in der die Verdichtung von Herrschaft auf mehre-
ren Ebenen und nicht der Verfall der königlichen Stellung als prägende Entwick-
lungslinie galt, war die Stellung der Reichsritter kein alter, erhaltener, sondern erst
ein erlangter Status. Spieß und Willoweit gehen demgemäß davon aus, daß von
Reichsunmittelbarkeit eigentlich erst im 15. Jahrhundert die Rede sein könne"";
Press hat noch für die Zeit um 1500 davon gesprochen, daß die „Reichsunmittel-
barkeit" keineswegs ein sicherer Status gewesen sei""". Verknüpft man die Anfänge
der Reichsritterschaft mit der Vorstellung von der Entwicklung des Reichstags
und der Landesherrschaften, rückt auch in diesem Fall der Zeitpunkt der Entste-
hung zeitlich weit nach hinten. Die frühen Einungen des niederen Adels oder
rechtliche Maßnahmen wie die Verordnung Sigismunds 1422 verlieren in dieser
Perspektive nachhaltig an Bedeutung. Erst als Folge der Versuche, Reichssteuern
und Reichsmatrikel einzuführen und zeitliche Stabilität zu verschaffen, sind über-
regionale Integrationstendenzen festzustellen, die allerdings große Anlaufschwie-
rigkeiten zu überwinden hatten. Joachim Schneider verweist auf solche Bemühun-
gen in der Hussitenzeit; Peter Schmid betont die Kontakte, die sich durch den
108 Vgl. KRIEGER, Lehnshoheit, S. 184, 217ff., 266-284; DERS., König, S. 40.
109 Vgl. ROTH V. SCHRECKENSTEIN, Geschichte, Bd. 1, bes. S. 306-310; EBERBACH, Reichsritterschaft.
110 Vgl. EBERBACH, Reichsritterschaft, S. 1-10; vgl. auch BELOW, System, S. 82.
111 Vgl. PFEIFFER, Studien, S. 176.
112 Vgl. K.-H. SPIESS, Familie, S. 3; WILLOWEIT, Reichsunmittelbarkeit, in: HRG 4,1990, Sp. 799f.
113 Vgl. PRESS, Kaiser und Reichsritterschaft, S. 165. Zum Problem vgl. z.B. A. THIEME, Landesherrschaft,
bes. S. 160f.
 
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