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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0482

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478

Kapitel 11

und Gesellschaft aus marxistischer Perspektive zu erklären und zu beschreiben^.
Tatsächlich wäre gerade für die deutschen Verhältnisse noch zu prüfen, ob nicht
die von „der Grundherrenklasse" erzwungene Umverteilung des Agrarprodukts
in manchen Regionen für den Ausbruch der Krise zumindest mitverantwortlich
warW Allerdings ist natürlich auch die Frage aufzuwerfen, bis zu welchem Maß
die von Bois beschriebenen Entwicklungen verallgemeinert werden können, da
seine Mikroanalyse einige Faktoren als Konstanten betrachtet, die sich in anderen
politischen und sozialen Kontexten als Variablen erweisen könnten. Dies gilt etwa
für den politischen Kontext - den englisch-französischen Krieg -, vor allem aber
für die Rolle der Monarchie in der Endphase der von Bois beschriebenen Entwick-
lungen.
Für die gegenwärtige Forschung kann man also keineswegs von einem Kon-
sens sprechen. Während Ernst Schubert meint, daß das Modell von Abel vor dem
Zusammenbruch stehe - eine Agrarkrise habe es nicht gegeben, nicht einmal in
ihrer abgeschwächten Form als Agrardepression -, geht Werner Rösener davon
aus, daß Abels Modell nach wie vor gültig sei und allenfalls modifiziert werden
müsset Allerdings meinte auch Rösener, daß kein befriedigendes Modell des
sozialen Wandels im Spätmittelalter existiere. Insgesamt überwiegt jedoch die
Kritik an der Vorstellung von einer wirtschaftlichen Krise des späten Mittelal-
ters^. Die neuere Literatur, die überhaupt noch daran festhalten möchte, spricht
nicht mehr von einer Verfalls-, sondern allenfalls von einer Entwicklungskrise.
Relativ unbestritten ist immerhin, daß die Einkünfte aus der Grundrente tatsäch-
lich sanken.
Es liegt auf der Pfand, daß diese Uneinigkeit der Forschung massive Konse-
quenzen für die Einschätzung der Frage hat, ob man im späten Mittelalter von
einer Krise des Adels sprechen kann. Unklar ist zunächst, ob eine Adelskrise -
wenn es sie denn gegeben haben sollte -, die logische Folge einer Agrar- oder
Strukturkrise gewesen sei oder aber deren Auslöser und Hauptbestandteil, so daß
die Vorstellung von einer Krise des Feudalismus angemessen sei.

148 Vgi. SABLONIER, Zur wirtschaftlichen Situation, S. 22f. Zur Rezeption vgl. KRIEDTE, Agrarkrise. ABEL,
Agrarkrisen, S. 45f., 100, hat auf Bois noch kritisch Bezug genommen.
149 Vgl. KRIEDTE, Agrarkrise, S. 65; ferner SABLONIER, Zur wirtschaftlichen Situation, S. 21ff.
150 Vgl. E. SCHUBERT, Einführung, S. 9; RÖSENER, Krisen, S. 36; DERS., Grundherrschaften des Hochadels,
S. 155 mit Anm. 318; DERS., Agrarwirtschaft, S. 102. Vgl. zum Problem auch KRIEDTE, Agrarkrise, S.
49, der eine „ernstzunehmende Alternative" zur Agrarkrisentheorie vermißt.
151 Vgl. SCHUSTER, Krise.
 
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