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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0498

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494

Kapitel 11

Kriege, Erbteilungen sowie biologische Prozesse, entscheidend aber seien die poli-
tischen Rahmenbedingungen gewesen: der Aufstieg der Landesherrschaft und die
Festigung bäuerlicher und bürgerlicher Verbände.
Weitere große Regionalstudien mit ähnlichen Fragestellungen kamen zu Er-
gebnissen, die nicht wesentlich von dieser Einschätzung abwichen. Dies gilt etwa
für die Arbeiten Vogtherrs über den Lüneburger Landadel, Rübsamens über das
Pleissenland, Andermanns über den pfälzischen Niederadel, Bittmanns über den
westlichen Bodenseeraum oder Ulrichs über den fränkischen NiederadePA Etwas
aus dem Rahmen fällt Bumillers Untersuchung der Grafschaft Zollern. Zwar gebe
es auch Beispiele für sozialen Aufstieg, vor allem am Hofe des Landesherrn, doch
sei in erster Linie ein „massenhafter Niedergang" des niederen Adels durch Aus-
sterben und landesherrliche Politik festzustellen^A
Ein Fazit zu ziehen, fällt trotz der weitgehenden Übereinstimmung in manchen
Fragen nicht leicht. Sablonier hat hervorgehoben, daß „mindestens in der Zeit
zwichen 1330 und 1470 fast alle Adelsgruppen mehr oder minder stark mit wirt-
schaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten"^?. Offensichtlich existierten
Möglichkeiten, Krisen dieser Art zu überwinden und sogar sozial aufzusteigen,
doch erforderte dies Anpassungsbereitschaft und Glück. Nach Bittmann konnten
sich gerade Adlige aus ursprünglich eher unbedeutenden Familien am besten den
neuen Rahmenbedingungen anpassen^S; Angehörige des hohen Adels hatten in
dieser Hinsicht anscheinend eher Probleme^. Ob man den Befund als Modifizie-
rung der Krisentheorie betrachtet oder als deren Widerlegung, bleibt offen und ist
in erster Linie vom verwendeten Gesamtmodell abhängig. Werner Rösener, der
auch Abels Model der Agrarkrise weiterhin verteidigt, hat noch 2002 dezidiert von
einer Krise des Adels gesprochen und auf die Gefahren der Verallgemeinerung
von Einzelbeispielen hingewiesen^A Der größte Teil der Forschung allerdings teilt
diese Einschätzung mittlerweile nicht mehWb allenfalls die Vorstellung von einer
Anpassungskrise erscheint noch als diskussionswürdig.

255 Vgl. VOGTHERR, Lüneburger Landadel, RÜBSAMEN Pleissenland; K. ANDERMANN, Studien; BlTT-
MANN, Kreditwirtschaft; ULRICHS, Lehnhof. Vgl. auch BAUM, Schichtung, für Mainfranken, RUPP-
RECHT, Herrschaftswahrung, S. 63-69, für Franken, SCHMILEWSKI, Adel, für Schlesien sowie K. AN-
DERMANN, Einkommensverhältnisse, für den Kraichgauer Adel.
256 BUMILLER, Studien, S. 199; vgl. auch S. 97-100.
257 Vgl. SABLONIER, Zur wirtschaftlichen Situation, S. 13.
258 Vgl. BiTTMANN, Kreditwirtschaft, S. 289.
259 Vgl. SABLONIER, Adel, S. 252.
260 Vgl. RÖSENER, Befand sich der Adel im Spätmittelalter in einer Krise?
261 Vgl. MORSEL, Crise ; DERS., Noblesse, S. 511.
 
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