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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0500

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Kapitel 11

die Auffassung vertreten, daß die Fehde zur Domäne des sich konsolidierenden
Rittertums geworden sei, als die Bauern das Waffenrecht verloren-^.
Im Fiinblick auf die rechtliche Problematik betonte Fehr jedoch auch, daß die
Blutrache etwas anderes gewesen sei als das Fehderecht. Sie sei kein Bestandteil
des Waffenrechts, sondern des Volksrechts gewesen und auf Tötung und Körper-
verletzung begrenzt geblieben. Das Fehderecht dagegen sei nach der Seite des
Gegenstandes unbegrenzt und Ausfluß eines Sonderrechts. Die Entstehung eines
Schadens sei die einzige Voraussetzung^. Im Gegensatz zur Blutrache habe man
in der Fehde die Tötung des Gegners nicht intendiert. Die Fehde sei demnach
ständerechtlich beschränkte, dem Gegenstand nach unbeschränkte, in rechtliche
Formen gegossene Selbsthilfe. Die Blutrache dagegen sei die ständerechtlich unbe-
schränkte, dem Gegenstand nach beschränkte formlose, außergerichtliche Rechts-
hilfe^. Diese Ansicht hat etwa auch jüngst noch Fehn-Claus als Rahmen seiner
Typologie der Fehdegründe übernommen^ Die Blutrache habe angesichts der
fortschreitenden Entwicklung der Strafgerichtsbarkeit an Bedeutung verloren,
während die ritterliche Fehde im 15. Jahrhundert geradezu kulminierte.
Wohl im Zusammenhang mit den Zweifeln, die zunehmend an den älteren
Vorstellungen von der frühmittelalterlichen Verfassung geäußert worden waren,
wurde diese strenge Unterscheidung zunächst weiter ausgebaut. Asmus, Cram
und Mitteis hoben die lehnrechtlichen Wurzeln der Fehde sehr stark hervor und
wollten keinen Zusammenhang mit der Blutrache erkennenW Während die Blut-
rache ein Institut des Landrechts gewesen sei, gehöre die Fehde ins Lehnrecht und
sei ein Produkt der Entstehung des Ritterstandes. Gerade in dieser Perspektive
war der von Fehr hervorgehobene Unterschied auch theoretisch zu begründen; die
Ritterfehde des hohen und späten Mittelalters erschien nicht als die Fortsetzung
eines uralten germanischen Rechts auf Selbsthilfe, sondern als ein subsidiäres
Rechtsmittel im Rahmen eines bestimmten Rechtssystems. Ihr Ende habe sie mit
dem Niedergang lehnrechtlicher Beziehungen gefunden. Diese Vorstellung ver-
wies auf einen anderen historischen Kontext. Mit Barbarossas Gesetzgebung habe
die Verrechtlichung des Krieges als „Verritterlichung" und als Produkt der Feuda-
lisierung begonnen. Cram meinte, hier im Anschluß an ITuizinga^, von einem
zunehmend agonalen Charakter der Fehde durch das Rittertum sprechen zu kön-
nen^.

267 Vgl. FLECKENSTEIN, Rittertum zwischen Krieg und Frieden, S. 64.
268 Vgl. FEHR, Waftenrecht (1914), S. 140-145.
269 Vgl. FEHR, Waffenrecht (1914), S. 145f.
270 Vgl. FEHN-CLAUS, Ansätze.
271 Vgl. ASMUS, Rechtsprobleme, S. 79ff.; MITTEIS, Land und Herrschaft, S. 349ff.; CRAM, Iudicium belli,
S. 131.
272 Vgl. HUIZINGA, Homo ludens, S. 101-118.
273 Vgl. CRAM, Iudicium belli, S. 180.
 
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