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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0535

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Das Spätmittelalter - Die Ausprägung sozialer und politischer Stände

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auch für jene Adligen, die sich den neuen Ziele gegenüber aufgeschlossen zeigten,
wie etwa für Ludwig von EybW
Diese Sicht dürfte heute wohl kaum mehr Zuspruch finden. Relativiert wurde
sie sogar schon von Alfred von Martin, der 1922 eine nicht zuletzt von der marxis-
tischen Forschung inspirierte Analyse der Renaissance bot. Unter dem Einfluß des
Fürstenhofes sei es auch zu einer „Adelsrenaissance" im 15. und 16. Jahrhundert
gekommen. Martin deutete dies als Assimilierung des Adels an die neuen Ver-
hältnisse^. Neuere Forschungen sind generell eher skeptisch im Hinblick auf die
Frage, ob sich geistesgeschichtliche Phänomene ohne jeden Rest aus sozialge-
schichtlichen Entwicklungen erklären lassen. Die Konvergenz zwischen Adel und
Humanismus hatte schon Otto Brunner beschrieben, diese allerdings ebenfalls als
Hinwendung zu einer neuartigen geistesgeschichtlichen Entwicklung gedeutet^.
Daß Rittertum und Renaissance nicht als Begriffe verstanden werden können, die
gegensätzliche Kulturwelten kennzeichneten, bemerkte Werner GoezW ln jünge-
rer Zeit äußerte Peter Burke in seiner sozialgeschichtlich angelegten Studie grund-
sätzliche Zweifel an der Meinung, daß Humanismus und Renaissance einer be-
stimmten sozialen Gruppe zuzuordnen seienW Nach Horst Wenzel waren Adel
und Stadtbürgertum an der Konstituierung der Autobiographie als literarischer
Gattung in gleicher Weise beteiligt, obwohl man doch Unterschiede der Tätigkeit
und der Ideale feststellen könneW
Möglicherweise ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Adel und Huma-
nismus also nicht nur ein Problem des Zeitpunkts und der Intensität der Hinwen-
dung des Adels zu den Idealen oder der Zunahme der Bildungswilligkeit in der
Neuzeit. Zu den Menschenbildern der Renaissance gehörte auch der Hofmann.
Festhalten wird man jedoch dürfen, daß die Diskussionen Auswirkungen auf die
Vorstellungen vom Adel hatten. Die Bedeutung der Herkunft wurde dabei ge-
wöhnlich als weniger wichtig veranschlagt. In Anlehnung an antike Vorstellungen
wurde nun vor allem Tugend als Definitionskriterium hervorgehoben. Ob dies als
eine spezifische Folge der Diskussionen des späten Mittelalters betrachtet werden
kann, ist allerdings nicht sicher. Während im Frühmittelalter die adlige Herkunft
als Voraussetzung für adliges Handeln propagiert und demnach die Meinung
vertreten worden war, daß Herkunft und Handeln nicht zu trennen seien, findet
man bereits im hohen Mittelalter die Vorstellung, daß sich Verhalten und Her-
kunft widersprechen können und adliges Verhalten auch bei Menschen geringerer
Herkunft denkbar sei. Daraus resultierte „Adelskritik", die erstmals in hochmittel-

470 Vgl. KRIEB, Schriftlichkeit, S. 79f.
471 Vgl. A. v. MARTIN, Soziologie, bes. S. 29,110.
472 Vgl. O. BRUNNER, Landleben, Vgl. dazu auch PLETICHA, Adel, S. 229.
473 Vgl. GOEZ, Rittertum.
474 Vgl. BURKE, Renaissance, S. 13-26.
475 Vgl. WENZEL, Autobiographie, Bd. 1, bes. S. 18. Vgl. auch DERS., Höfische Geschichte, S. 348.
 
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