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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0273

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König und Adel im Ostfrankenreich

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derts zeigten, daß die Aufständischen ihre Ehre durch Rebellion bewahrten und
normalerweise nicht vernichtet, sondern nach genauen, wenngleich nur informell
festgelegten Bußritualen wieder in die Huld des Herrschers aufgenommen wur-
den. Die Bedeutung formaler politischer Normen und Prozesse, die noch Mitteis
als überaus hoch eingeschätzt hatte, tritt in dieser Sicht völlig in den Hinter-
grund^.
Nichtsdestoweniger wirft diese Perspektive ein prinzipielles Problem auf, das
Berücksichtung verdient. Ungeklärt ist der zeitliche Geltungsbereich des Modells.
Da die Vorstellungen über die Bedeutung von Rangordnungen und Spielregeln
mit der Problematik von „Staatlichkeit" verknüpft wird, stehen insbesondere die
Ottonen- und die Salierzeit im Zentrum des Interesses. Gerade für diesen Zeit-
raum wird dann auch, als Ergänzung des Ansatzes, die Frage aufgeworfen, ob
Herrscher in der Lage oder überhaupt willens waren, politische Konzeptionen zu
entwickeln und zu versuchen, diese in die Tat umzusetzen.
Damit ist das Problem angesprochen, ob dieser enge Zusammenhang zwischen
fehlender Staatlichkeit und der Bedeutung von Rangordnung, Konfliktregelung
und Ritualen tatsächlich angenommen werden muß, ob also hier nicht weniger die
Besonderheit einer bestimmten Epoche beschrieben denn eine neue Perspektive
eingenommen wird, die prinzipiell auch zur Untersuchung anderer Zeiträume
verwendet werden könnte. Daß Gerd Tellenbach für die Auseinandersetzungen in
karolingischer Zeit eine ähnliche Betrachtungsweise vorgeschlagen hat, wurde
bereits erwähnt. Für die Zeit der Staufer vertrat Karl Teyser die These, daß ange-
sichts des Fehlens zentraler Elemente von Staatlichkeit die Politik im Reich im
Grunde als ein Mit- und Gegeneinander adliger Familien beschrieben werden
kamV°. Hagen Keller sprach auch für das 12. Jahrhundert von einer „Königsherr-
schaft in und über dem Rangstreit der Großen". Konflikte seien entstanden, wenn
Rangordnungen und Machtkonstellationen sich zu verändern drohten. Bei diesen
Streitigkeiten ging es um die Grundsituation adliger Existenz im damaligen Herr-
schaftsgefüge. Auch in lokale Konflikte sei der König hineingezogen worden; ein
Großer fand bei einer Erhebung immer Freunde, die sich ihm anschlossen. Die in
den Quellen genannten Motive wie Hochmut, Haß und Zorn, Demütigung und
Kränkung seien ernstzunehmen. Im Hinblick auf die entscheidenden Konfliktlinie
stellte Keller fest: „Nicht so sehr die Auseinandersetzung zwischen König und
Fürsten, sondern der permanente Machtkampf unter den Großen, in denen der
Herrscher - meist Partei für eine Seite nehmend - wiederum mit kriegerischen
Mitteln eingreifen mußte, war das eigentliche Ordnungsproblem der Zeit". Die
Aufgabe des Herrschers habe darin bestanden, den Rangstreit in der herrschafts-
tragenden, „Gewalt staatlichen Charakters ausübenden Schicht" auszubalancie-

89 Vgl. z.B. ALTHOFF, Konfliktverhalten, S. 73, 80.
90 Vgl. LEYSER, Frederick Barbarossa, bes. S. 160,163.
 
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