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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Voll, Karl: Albrecht Dürers Paumgartner-Altar in der Münchener Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0058

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Albrecht Dürers Paumgartner-Altar in der Münchener Pinakothek.
Von Karl Voll.

Aus Albrecht Dürers erster Periode ist uns
als sein umfangreichstes Werk der Paumgartner-
Altar erhalten, der, wie schon der Name sagt, mit
dem bekannten Nürnberger Patriciergeschlecht zu-
sammenhängt. Die Paumgartner waren die Stifter des
Altars und ihre Familie hat sich auch über hundert
Jahre lang des Verfügungsrechtes darüber erfreut.
Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob es Mitglieder der
Familie Paumgartner allein waren, denen die Stiftung
zu danken ist und ob nicht noch andere Familien,
z. B. die Volkamer, daran beteiligt waren.
Auf den Flügeln sind zwei der Stifter in lebens-
grossenFiguren porträtiert(Taf. 10—13). Diese wurden
schon am Anfang des 17. Jahrhunderts als Bildnisse
des Lukas und Stephan Paumgartner gedeutet; später-
hin wollte man grosse Männer der Reformation in
ihnen erkennen. Sie sind es, die eigentlich den
Altar berühmt gemacht haben. Der Stolz und die
Tüchtigkeit des deutschen Bürgerstandes ist in ihnen
auf die eindringlichste Weise verkörpert und zu-
gleich nehmen sie kunstgeschichtlich als lebens-
grosse ganzfigurige Bildnisse von Dürers Hand
eine hohe Stellung ein. Aber bei aller Wertschätz-
ung konnte man sich bis jetzt nicht des Eindrucks
einer gewissen Fremdartigkeit erwehren. Wie sehr
die schlichten und doch imposanten Figuren be-
liebt waren, so hatte man doch das klare Bewusst-
sein, dass irgend etwas an ihnen nicht ganz in
Ordnung sei. So wurde denn auch schon lange
in den amtlichen Katalogen und von Reber in
dessen Schrift über Kurfürst Maximilian I. als Ge-
mäldesammler die Behauptung aufgestellt, dass die
Tafeln erweitert und stark übermalt seien. Vor
allem wurde der Umstand bemerkt, dass auf der
Stirn unterhalb des Haaransatzes noch ein Gold-
band sichtbar war. Man schloss daraus, dass die
Männer statt der Helme, die ihnen so verschroben
auf dem Kopfe sassen, ursprünglich Goldhauben
getragen hatten. Auch bemerkte man bei dem
einen Stifter, der auf einen Schild gestützt war,
am Boden Krallen, die wohl einem Drachen an-
gehören mochten ; aber in Betracht dessen, dass von
einem solchen sonst nichts zu sehen war, konnten
sie nicht weiter gedeutet werden. Es war nun
wohl vor 10 Jahren einmal darüber beraten worden,
ob nicht eine Restauration vorzunehmen sei; aber
man stand davon ab, weil keine gewissen Anhalts-
punkte gegeben waren, die ein Programm für die
Reinigung aufzustellen ermöglicht hätten.

Nun waren im Jahre 1889 in Wien auf der
Auktion Klinkosch zwei Tafeln versteigert worden,
deren Vorderseite Stifterfiguren darstellen, die denen
vom Paumgartner-Altar höchst- auffällig gleichen,
aber auch wieder bedeutsame Verschiedenheiten
von ihnen aufweisen. Die Figuren selbst sind
identisch, aber statt der Helme tragen sie Gold-
hauben. Ferner fehlen die Landschaften, Bäume
und Gäule, die bei den Tafeln der Pinakothek den
Hintergrund füllten. Der Hintergrund ist schwarz
und statt des Schildes trägt der eine, als hl. Georg
charakterisierte Stifter einen erstochenen Drachen,
dessen Leib bis auf den Boden herabhängt. Frim-
mel hat im 14. Band des Repertoriums für Kunst-
wissenschaft, S. 233, nachdrücklich auf diese Ver-
schiedenheiten hingewiesen; aber weder er noch
sonst jemand zog den Schluss, dass die Tafeln
von Klinkosch den Originalzustand des Dürer’schen
Werkes, wenn auch nur in Kopie, aber eben doch
getreu darstellen möchten. Seit dieser Zeit sind
sie von den namhaftesten Kennern und Kunst-
gelehrten in Augenschein genommen worden; aber
immer wurden sie nur dahin untersucht, ob sie
von Dürer, Schäufelein oder Hans Süs von Kulm-
bach herrühren. Dieser eigenartige Zufall trieb
nun auch dann noch sein Spiel, als sie ihr jetziger
Besitzer, Kunsthändler Leitner, nach München
brachte. Ja sogar als die Wiener Repliken einmal
in die Pinakothek zu Herrn Professor Hauser ge-
schickt worden waren, behauptete sich das Vor-
urteil, dass es sich um veränderte Kopien der
Originale handle und so wären die Tafeln beinahe
aus München und aus Europa weggegangen, um nach
Amerika verkauft zu werden, ohne dass sich ihre
eigentliche Bedeutung enthüllt hätte. Wie so oft
handelte es sich um das Ei des Kolumbus. Das
Problem war nicht schwierig, es wollte nur ohne
Vorurteil behandelt sein. Der Verfasser darf in
aller Bescheidenheit von sich sagen, dass er
die Lösung gefunden hat. Er sah die Kopien
und zog aus dem Umstande, dass die Ritter die
erwähnten Goldhauben trugen, deren Vorhandensein
man ja schon vorher auch für die Originaltafeln
vermutet hatte, den Schluss, dass es sich hier nicht
um veränderte Kopien, sondern um ein verändertes
Originalwerk handle. Er liess die Bilder wieder
in die Pinakothek bringen und dort ergab die Ver-
gleichung zwischen den Münchener und den Wiener
Tafeln, dass in der That unsere Flügel übermalt
 
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