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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Suida, Wilhelm: Von der Impressionisten-Ausstellung der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0128

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aus, dessen Gruppen von Tänzerinnen und Sänge-
rinnen dem Ballet und Variete entnommen sind.
Der beinahe tragische Zug, der durch manche dieser
in der Farbe zumeist kalten Bilder geht, lässt uns
auch bisweilen innerlichen Anteil an solchen Werken
nehmen. Cezanne (geb. 1839) zeigt sich wohl
am besten da, wo eine Neigung nach dem Orna-
mentalen sich geltend macht, wie in einem Stilleben.
Camille Pissarro (geb. 1831) und Alfred
Sisley (1839— 1899) sind mit umfangreichen
Kollektionen vertreten. Des ersteren Freilicht-
malereien können als sehr beachtenswerte Versuche
gelten (z. B. Boulevard Clicky), in dem scharfes
Sonnenlicht aus allen Farbentönen zusammengesetzt
werden soll. Ob Newtons Farbenlehre hier durch
den Eindruck der Beschauer eine Bestätigung findet?
Meine Erfahrung spricht nicht dafür. Viel feiner
und wirklich zum Schönsten, was die Ausstellung
bringt, gehörig, sind die stimmungsvollen Land-
schaften Sisleys; diese Dinge sind schlicht und
wahrhaft empfunden.
Als ,,durch den Impressionismus beeinflusst“
werden auch einige Werke des Puvis de Chavanne
(1827—1898) hereinbezogen: „Der Winter“, „Der
Dichter“, „Die Spinnerin“, in denen sich ein schönes
Pathos der menschlichen Geberde mit der Natur-
stimmung glücklich vereinigt.
Die nächste Abteilung der Ausstellung umfasst
den „Ausbau des Impressionismus“. Die Be-
strebungen der an demselben thätigen Künster
gehen nach sehr verschiedenen Seiten. Von James
Whistler ist ein zart sensitives in grauen und lila
Tönen gehaltenes Porträt einer Violinspielerin, von
dem mit erstaunlicher Virtuosität die momentane
Bewegung erfassenden Albert Besnard unter
anderen ein grosses Bild mit einem ausschlagenden
Pferde ausgestellt. Als ernster und wahrhaftiger,
zu schwermütigen Stimmungen neigender Künstler,
zeigt sich der hochbegabte Charles Cottet in
einer „Mondnacht im Hafen“, drei trauernden
Nonnen“ dem „Abschiedsmahl“ u. a.
Auf die Erfassung momentanen Lebens, ähnlich
wie schon Daumier, geht Lucien Simon aus,
und weiss manchmal, wie z. B. in der Skizze „Ein
Windstoss“ ganz frappante Wirkungen zu erzielen.
In des Gaston la Touche ernsten und nicht
ohne Kraft vorgetragenen Kompositionen der Ver-
spottung Christi und der heiligen Nacht ist dem
Licht, besser gesagt der Beleuchtung, die ent-
scheidende Rolle zugewiesen. Von deutschen Im-
pressionisten sind Max Liebermann und Max
Slevogt vertreten, ersterer mit der Papageienallee,
der Bleiche und einem Porträt, Dingen, die bei
äusserst geschickter Mache, die innere Kälte doch
nicht verbergen können, Slevogt mit einigen erfreu-
licheren, hell sonnenbeschienenen Landschaften.
Als Neoimpressionisten werden Georges Seu-
rat (1859 —1891) und Rysselberghe bezeichnet.
Sie gehen in der unvermittelten Nebeneinander-
setzung der einzelnen Farbentöne, welche zu ver-
binden dem Auge anheim fällt, weiter, als die bisher
betrachteten Künstler. Bei Seurat ist es ein Suchen,
hinter dem als treibende Macht eine besondere
Begabung nicht steht, seine Bilder wirken öde, leer

und phantasielos. Geschickter, temperamentvoller
und als Lichtkünstler beachtenswert ist Rysselberghe,
dessen „junge Damen am Strande“, und „Fischer-
boote“ die meiste Aufmerksamkeit erregten.
Dem grossen Einfluss entsprechend, den die
Kunst Japans, diese Ueberraschung für Europa, auf
die immer bewusster einem formalen Stil zustreben-
den Maler ausübte, werden wir durch eine Auswahl
ganz vorzüglicher japanischer Farbenholzschnitte
des XVIII. und XIX. Jahrhunderts auf die letzte
Gruppe der Franzosen vorbereitet. Ganz entzückend
feine Genreszenen des Outamaro, prachtvolle Tiere
und Blumenstücke des Hok’sai, zauberhafte Land-
schaften des Hiroshighe und so manch andere
Wunderwerke spannen die Erwartung etwas zu hoch,
mit der wir nun an die folgenden jüngeren Europäer
herantreten. Schon unter des Vincent van Gogh
leuchtkräftigen Bildern vermag uns das wenigste
künstlerisch zu befriedigen, am besten eine „Allee
im Park“, geradezu unerfreulich und bisweilen den
Eindruck mangelnden künstlerischen Ernstes hervor-
rufend sind die Bilder des Toulouse-Lautrec.
Vuillard gibt, auf Velasquez und Manet zurück-
gehend, bisweilen stimmungsvolle Interieurs, in
Pierre Bonnard kommt eine naive, in sich ge-
gründete Künstlerindividualität zu Worte, die sich
am glücklichsten in humorvollen Kinderporträts
äussert. Ein Schwanken zwischen verschiedenen
Richtungen, wenig Originalität macht sich in den
Werken des Maurice Denis bemerkbar, dem-
gegenüber uns in Felix Vallotton wenigstens
eine konsequente und kräftige Persönlichkeit ent-
gegentritt. Ein „Nachmittag im Park“ und eine
„Strasse in Alt-Marseille“, sowie Porträts von Dosto-
jewski, Verlaine und Victor Hugo haben nebst
anderem verdientes Aufsehen erregt. Bestimmter
Umriss der Gestalt und leuchtkräftige Farbenmassen
wirken eben wohlthätig, wenn man durch eines
Roussel Farbe, Ton, Stimmung und jedwede Deut-
lichkeit preisgebende Gebilde bescheiden in seinen
Ansprüchen geworden ist. Noch gehören zu dieser
Gruppe der an Cezanne anknüpfende Gauguin,
Valtat und RedonOdilon. Letzterer, wohl der
Begabteste, nähert sich bisweilen in etwas äusser-
licher Weise den Japanern, zeigt sich auch als flotter
Zeichner, setzt endlich in der „Flucht nach Egypten“
die grellsten Lichteffekte nebeneinander, welche der
Beschauer nur deshalb ruhig hinnimmt, weil sie mit
auserordentlichem Geschick angebracht sind.
Die betrachtete Reihe von Malereien begleitet,
wenn auch in viel weniger zahlreichen Exemplaren,
die impressionistische Skulptur. Hier hätte man
billiger Weise mit spät antiken Werken und mit
Donatello beginnen können, begnügte sich aber,
eine Porträtbüste von Caffieri (1725—1792), so-
dann wohl nicht ganz gerechtfertigter Weise einige
Werke (darunter einen Abguss der berühmten
Diana) von J. Antoine Houdon (1741 —1828)
zu bringen. Mit einer grösseren Kollektion ist der
geniale J. Bapt. Carpeaux (1827—1875) ver-
treten. In der Belebung des Materials, der Haar-
behandlung, der kontrastreichen Herausbildung des
Körperlichen deutet er schon alle Möglichkeiten
einer impressionistischen Skulptur an.

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