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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Dänemark
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0212

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176

Vom Jahre 1700 ab wurde in der dänischen
Architektur der Einfluss Frankreichs vorherrschend.
Waren vordem holländische Künstler nach Dänemark
berufen worden, so kamen an die Höfe Christians VI.
(1730—46) und Frederiks V. (1746—66) französische
Künstler. Aus dieser Periode stammen die Schlösser
Christiansborg, Hirschholm und Amalienborg,
letztere von dem Dänen Nie. Eigtved (gest. 1754)
erbaut — Bauten, die kunstgeschichtlich, ästhetisch
und entwicklungsgeschichtlich von geringer Be-
deutung sind. Günstiger wirkt noch das Schloss
Charlottenborg in Kopenhagen, 1673 von Ulrik
Frederik Gyldenlöve errichtet. Für das Schloss
Amalienborg schuf die Kolonnaden in gräkisierendem
Stil C. F. Harsdorff. Er wollte an die Stelle der
romanischen Architekturformen die griechischen
setzen und führte im besonderen die jonische Säule
in die dänische Architektur ein — es war die Zeit,
als Asmus Jacob Carstens, der Wiedererwecker der
Antike, sich (1776—83) in Kopenhagen aufhielt.
Als in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts
die Kunstsammlungen Thorwaldsens, welcher damals
als der grösste Künstler der Zeit galt, und dessen
Bedeutung auf der Wiederbelebung der Antike auf
Grund der durch Carstens gegebenen Anregung
beruht, ein Gebäude erheischten, war es M. G.
Bindesboell, der dasselbe im antikisierenden Stil
errichtete. Und dieses Thorwaldsen-Museum hat
stets für ein besonders schönes Gebäude Kopen-
hagens gegolten, und es wirkt in der Tat edel
und vornehm und zeigt einfache, reine Stilformen.
Aber zugleich bedeutet es sowohl einen Anachronis-
mus, als eine Verleugnung der Nationalität und ist
für die Entwicklung der dänischen Architektur von
untergeordneter oder von überhaupt keiner Be-
deutung. Auch die Brüder Christian und Theophil
Hansen wallfahrteten nach Athen und studierten
die altgriechische Baukunst, nicht um baukünstleri-
sches Empfinden zu lernen, sondern um die grie-
chischen Stilformen anwenden zu lernen. Christian
Hansen ging nach Dänemark zurück, wo er auch
den mittelalterlichen Stil in freierer Behandlung
anwendete. Theophil Hansen ging nach Wien, wo
er, wie bekannt, eine Reihe grosser Monumental-
bauten geschaffen hat, die ebenso prunkvoll wie
grossartig wirken, aber durchaus nicht Stilreinheit
und baukünstlerische Gesetzmässigkeit zeigen.
Es war für die fernere Entwicklung der
dänischen Architektur von Bedeutung, dass nach
den fünfziger Jahren die alten romanischen und
Renaissance-Bauwerke Dänemarks einer Restaurier-
ung bedurften. Denn das Interesse wandte sich
damit wieder mehr diesen Stilen zu. Daneben
stand die norddeutsche Backstein-Architektur im
Vordergrund des Interesses. Ueberhaupt kam nun-
mehr der Backstein wieder zu Ehren, nachdem
man in der klassizistischen Periode vornehmere
Steinarten durch Putz zu imitieren versucht hatte.
In dieser Richtung übte J. D. Herholdt, von dem
die Universitätsbibliothek — ein Gebäude, das be-
merkenswert ist durch den Reichtum charakteri-
stischer, dem Material angepasster Backsteinformen
und Ornamente, wenngleich diese manchmal nicht
nur Originalität, sondern Originalitätssuchtverraten —

herrührt, einen grossen Einfluss aus. Auch ist das
Wirken des Kunsthistorikers N. L. Hoyen’s, auf das
wir noch zurückkommen, schon hier in Betracht
zu ziehen.
Von den sechziger Jahren an kann man zwei
Richtungen in der dänischen Architektur unter-
scheiden: 1. die kosmopolitische, vertreten durch
Vilh. Dahlerup, 0. Petersen und Alb. Jensen, und
2. die Herholdt’sche historisch-nationale, welcher
Hans Holm, der besonders nachdrücklich auf das
Studium der alten dänischen Baukunst hinwies, und
H. B. Storek angehören — nahe stehen derselben
L. Fenger, Vilh. Petersen und V. Klein. Von den
jüngeren Architekten haben sich der Herholdt’schen
Schule angeschlossen: V. Koch, A. L. Clemmensen,
M. Borch, H. Kampmann und M. Nyrop, welcher
letzterer die historischen Stile freier anwendet.
Wenn wir die moderne Profan - Architektur
Kopenhagens überblicken, sind es, wie erwähnt,
zwei Gruppen mit entsprechend verschiedenen Stil-
formen, die wir unterscheiden müssen. Die eine
zeigt die Verwendung des altdänischen romanischen
Stiles, die andere die des altdänischen Renaissance-
Stiles Christians IV. Letzterer wurde schon zu
seiner Zeit auch auf das Privathaus und Geschäfts-
haus angewendet. Man sieht in Kopenhagen heute
noch vereinzelte derartige Häuser, z. B. Oester-
gade 54 (aus dem Jahre 1640) und Amagertorv No. 6
(das Haus der Hafnia aus dem Jahre 1616, restau-
riert im Jahre 1898). Beide Häuser zeigen Backstein-
füllung mit Sandsteinumrahmung, die charakteristi-
schen holländischen Renaissance-Giebel und Fenster-
abschlüsse und -Bekrönungen. In diesen Formen
sind in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe
von Kopenhagener Geschäftshäusern erbaut worden,
meistens mit ganz geringen Stilabweichungen.
Hierher gehört in der Ny-Gade das Haus der
Detailhändlerbanken (in der allgemeinen Anlage und
einigen Einzelheiten sehr gut), das Haus der danske
Kulkompagni, Ny-Gade 42, gebaut 1894, das Ge-
bäude der Schweizer Unfallversicherungsgesellschaft
Winterthur, 1897 gebaut, Lille Kjöbmagerhus in der
Kjöbmagergade, das Haus Westerbrogade No. 19/21,
ferner der Pilegaarden Ecke City-Gade, Silkegade
und Pilestraede, 1900 gebaut. Abweichungen zeigen
das Haus Nygade 32, 1897 gebaut, mit reichem
Erker (einige Einzelheiten, wie die Entlastungsbogen
mit dem Knauf im Schlussstein, nicht gut), das
Holbrohaus, Ecke Kjöbmagergade, mit originellem,
dreieckigem Erker. Es ist wahr, alle diese Gebäude
haben nicht den Wert von Originalen, es sind
Wiederholungen mit geringen Abweichungen von
älteren Bauten, aber zum mindesten ist es ein
charaktervoller ästhetisch-befriedigender und, man
darf sagen, auch nationaler Stil, wenngleich von
der künftigen dänischen Architektur verlangt werden
darf, dass sie, wie die Stockholmer Architektur,
mehr und mehr nach Schaffung eines mehr origi-
nalen Baustiles bedacht sein möge. Nach dieser
Richtung hin darf als ein wohlgelungener Versuch
das neue Studentehotellet, gegenüber der Frauen-
kirche, angeführt werden, bei dem namentlich der
Turmbau vortrefflich entworfen ist. Das grosse neue
Kaufhaus „Volmerhus“ (Ecke Oestergade), in Spitz-
 
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