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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Dänemark
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0213

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bogenstil in rotem Granit gebaut, verdient eben-
falls hervorgehoben zu werden. Der Portalbau
trägt hier einen Giebel, der von zwei sechseckigen
Türmen flankiert wird. Allerdings finden wir hier
noch das unorganische, barocke Prinzip, die Mauer-
pfeiler zwischen den Fenstern ohne Unterbrechung
vom ersten ins zweite Stockwerk durchgehen zu
lassen. Durch einen originellen dreiseitigen Erker
fällt das Holbrohus, Ecke Kjöbmansgade, auf. Zu
den interessantesten Gebäuden des neuen Kopen-
hagen gehört das Eckhaus Bredgade und Palaisgade.
Statt der Eckkante ist hier eine Kehle gebildet,
die von rusticierten Quadern eingefasst ist, und in
welcher eine Säule aufsteigt, die einen Turm trägt.
Auch der Balkon ist bemerkenswert originell. Doch
ist auch hier eine gewisse Originalitätssucht zu
verspüren. Bemerkenswert ist an dem Hause
gegenüber der als Stütze des Erkers dienende
Drache; im übrigen zeigt dieser Bau viel Miss-
lungenes. Eine schöne Fassade bietet der neue
Anbau der Dansk Landmandsbank in Holmenshavn.
Nicht ganz so zahlreich wie die Gebäude der
Gruppe im Stile Christians IV. sind diejenigen
Häuser, welche der Gruppe der romanischen oder
mit wesentlicher Benutzung romanischer Stilformen
aufgeführten Bauten angehören. Hierher gehört das
grosse Eckhaus, Ecke Kultorf- und Frederiksbrogade
in rotem Backstein, mit rundem Eckturm, mit
Zinnen und romanischem Rundbogenfries darunter.
Vor allem aber muss hier das neue Zollgebäude
genannt werden, ein umfangreiches, ausgezeichnet
wirkendes, stilreines Gebäude, bei dem die Formen
der Domkirche zu Lund in glücklicher Weise auf
die Bedürfnisse eines modernen Hafenbaues an-
gewendet sind. Endlich gehört auch hierher das
neueste Monumentalgebäude Kopenhagens, der
Stolz der dänischen Hauptstadt, das neue Rathaus,
nach Plänen Nyrops in rotem Backstein ausgeführt.
Es besteht aus einem gewaltigen Quadratbau, der
einen viereckigen Hof umschliesst und über dessen
Dach sich eine Zinnenwehr erhebt, während an der
einen Seite ein schlanker, mit Burgwehr versehener
Turm aufsteigt. Die Fassaden sind reich gegliedert
und mit romanischen Rundbogenfriesen und Blenden
und Kalksteinornamenten geschmückt. Ueber dem
gut gegliederten Portalbau erhebt sich eine in
Kupfer getriebene Statue des Bischofs Absalon,
Gründers der Stadt. Der ganze Bau wirkt um so
günstiger, als er ziemlich frei steht und an zwei
Seiten von breiten Strassen, an der dritten von den
Anlagen des Tivoli umgeben ist, während die
vierte Seite, die Hauptfassade, am grossen Rathaus-
platz liegt. Dieser Bau bildet in der Tat eine
Zierde Kopenhagens, um die es die meisten mo-
dernen Grossstädte beneiden können. Wenn auch
der Schwerpunkt in der malerischen Wirkung liegt
und die Formen im einzelnen nicht original sind,
ist hier doch ein im ganzen charaktervolles, vor
allem nicht barock wirkendes Gebäude geschaffen,
das in das Milieu passt und aus dem Boden ge-
wachsen zu sein scheint, ein der Börse würdiges
zweites architektonisches Wahrzeichen der dänischen
Hauptstadt: demokratisch anmutend, wie das ganze
junge Dänemark.

Was den Turm betrifft, so wird derselbe noch
übertroffen durch den etwas niedrigeren, klassisch
wirkenden Turm des nahebei liegenden neuen
Hauses der Feuerwehr, das neben dem stolzeren
Rathaus wie der Sohn neben dem Vater anmutet.
Natürlich giebt es in Kopenhagen noch eine
ganze Reihe weiterer moderner Monumentalbauten,
die indessen weniger der Beachtung wert sind.
Das gilt sowohl von denjenigen, die in antiki-
sierendem Stil gebaut sind, wie die neue Glyptothek
(1891—97 nach Plänen Dahlerups erbaut) und das
Staatsmuseum für Kunst (ein grosser Backsteinbau,
1891—96 von Dahlerup und Möller ausgeführt),
wie von dem in einem etwas prunkhaften Spät-
renaissancestil 1872—77 von Petersen und Dahlerup
erbauten Königlichen Theater. Vollends ist das
1895 durch Arntzen aus norwegischem Marmor
erbaute Gebäude der Lebensversicherungs-Gesell-
schaft Standard an Korgens Nytorv zwar kostbar
und prunkhaft, aber stilwidrig.
Im allgemeinen macht das neue Kopenhagen
architektonisch einen günstigen Eindruck. Es kann
sich an Reichtum wirklich originaler moderner
Bauten mit Stockholm nicht messen, besitzt aber
dafür weit mehr kunstgeschichtlich interessierende
und ästhetisch befriedigende Gebäude älterer Zeit,
so dass sein architektonisches Gesamtbild von
wenigen anderen modernen Grossstädten Überboten
werden dürfte, wohl aber das der meisten derselben
weit hinter sich lässt.
* *
*
Für die Entwicklung der bildenden Kunst Däne-
marks nicht nur, sondern Europas von Bedeutung
war der Bildhauer Bertel Thorwaldsen (1770 in
Kopenhagen geb., 1844 gest.), welcher von 1820
bis 1840 für Europa’s grösster Künstler galt und
heute noch grosse Verehrung geniesst. Indessen
ist die Zeit, als Thorwaldsen als Inbegriff klassischer
Kunst galt, vorüber. Wir sehen heute ein, dass
seine Plastik, gerade, weil sie klassisch ist, wesent-
lich nachempfunden ist, dass er zwar in technischer
Beziehung Ausgezeichnetes geleistet hat, dass aber
die Sphäre, in der er Bedeutendes geschaffen hat,
sehr beschränkt ist. Diese eigentliche Sphäre Thor-
waldsen’s ist das Idyllische. Wo er gross und er-
haben wirken will, wirkt er hohl, wie in seinem
Mars oder theatralisch wie in seiner Schillerstatue
oder der des Kopernikus Q. Wo er dagegen kleine
Geschichten erzählt, entfaltet er Reiz und Anmut.
Deshalb ist das Relief seine starke Seite. Freilich
wird er auch hier oft zu süsslich und erinnert an
Cignani. Und immer ist es im Grunde Putten-
plastik, Amorettenplastik, die er uns gibt. Auch
sind Haltung und Bewegung sehr oft geziert, so
dass das schliessliche Ergebnis Dekorationsplastik
ist. Bei „Georgina Russell“ wirkt selbst das Kind
theatralisch, sein „Tanzendes junges Mädchen“ ist
geradezu ekelhaft geziert. Sein „Triumphierender
Amor“ wirkt ganz theatralisch, sein „Ganymedes“
wie süssliche italienische Spätrenaissance-Malerei.
1) Eine Ausnahme macht die Statue des segnenden Christus in der
Frauenkirche in Kopenhagen, unzweifelhaft sein bedeutendstes Werk.
3*
 
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