Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

DOI article:
Escherich, Mela: Dürers Beziehungen zu gotischen Stechern
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0313

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
245

so dass er sie auf seinem Madonenbild bei dem
rechtsstehenden lautespielenden Engel anwandte.
Am wenigsten ist ihm die Nachahmung in den
Köpfen gelungen. Das Gesicht der Madonna ist
schon ziemlich Dürerisch, während sich an dem
herabflutenden Haar das Bestreben E. S. ähnlich
zu zeichnen, zeigt.
Wichtig sind die Hände, welche wohl auf eine
ziemlich genaue Kopie nach E. S. schliessen lassen.
Sie sind so verschieden von denen des spätem
Dürer, dass eine selbständige Zeichnung aus-
geschlossen ist. Man vergleiche die noch kinder-
hafte Hand des Selbstbildnisses von 1484, in der
schon alle Charakteristiken der späteren enthalten
sind.
Für E. S. typisch ist die ausgestreckte oft ein
wenig von einander gelöste Haltung des Zeige- und
Mittelfingers, der mässig abstehende Daumen, der
flache (an Rafael erinnernde) Handrücken, magere
Schlankheit und zarter Knochenbau.
Die bei Dürer durchschnittliche Hand ist da-
gegen sehr fleischig und stark. Aus dem schmalen
oft langen Handrücken des E. S. hat Dürer dann
jene für ihn eigentümliche Form entwickelt, welche
wir bereits in den 90er Jahren vielfach von ihm
angewendet finden — den im Verhältnis zu den
gedrängten fast wie in Verjüngung gesehenen Fingern,
überaus langen — aber auch breiten und fleischigen
— Handrücken. (Man vergl. die Hände der Für-
legerin, Galerie Augsburg, oder die Handstudien in
der Albertina.)
Auf der Federzeichnung von 1485, sind die
Hände, wie gesagt, noch ohne eigene Zutat einfach
nachgebildet. In wieweit die ganze Komposition
des vielleicht verloren gegangenen Stiches des E. S.
benützt wurde, lässt sich wohl nicht mehr erkennen.
Jedenfalls ist die Madonn^figur mit dem ungeschickt
unter dem Arm gebauschten und auf das eine Knie
gezogenen Mantel keine' Kopie. Es wäre aber
möglich, dass in der Werkstatt Wolgemut derartige
handwerkliche Variationen unternommen wurden,
die der junge Dürer gelegentlich aufschnappte.
Als Vergleich zu der Dürerzeichnung diene ein
Stich des E. S., eine Madonna mit Kind, der hl. Bar-
bara und Dorothea (Elisabeth?) Man beachte hier
die rechte Hand der Madonna, in welche sich das
Aermchen des Kindes legt und daneben die Linke
der Dürer-Madonna, welche das Füsschen des
stehenden Kindes hält.
Ein zweites Blatt, welches an E. S. erinnert,
ist „Ein Reiter". (Lippmanns Dürer Handzeich-
nungen Nr. 209.) Lippmann bezeichnet es als
„sehr frühe, vielleicht in den Wanderjahren ent-
standene Zeichnung, die der Meister mit geringen
Aenderungen für den Kupferstich B. 80 „Der kleine
Courier" verwendet hat.“ Hier handelt es sich
bereits um keine ängstliche Kopie mehr, sondern
um freie Benützung eines Motivs. Das Vorbild ist
„der Unter der Hundefarbe" aus einer vom Meister
E. S. gestochenen Spielkarte. Dort sehen wir einen
schlanken Jüngling den Kopf nach rechts gewendet,
die Rechte eingestemmt in leicht hopsender Be-
wegung zu Pferde. Es scheint, als ob er eben
Trab anschlagen wollte. Das Pferd hat einen kleinen,

eben zur Seite gewendeten Kopf und einen langen
flachen Rücken. Die Federzeichnung Dürers stellt
einen Reiter im kurzen Galopp vorwärtssprengend
dar. Der Kopf des Pferdes ist gradaus gerichtet.
Der Rücken ebenfalls lang, aber mit einer flotten
Einbiegung, die ihm das Steife benimmt. Der Reiter
ist ähnlich, aber reicher als jener auf dem Stiche
des E. S. gekleidet. Er trägt ein Schwert und auf
dem Kopfe einen wallenden Federbusch. Die zu-
rückgebogene Rechte hält einen kurzen Stab. Das
Motiv des Hopsens im Sattel ist entschieden von
E. S übernommen. Aber die Dürerzeichnung ist
den Stichen weit überlegen. Der junge Meister hat
aus der gotischsteifen Spielkarte ein Motiv heraus-
geholt, aus dem er eine prächtige Studie zu schaffen
wusste.
Was den Hausbuchmeister betrifft, so lässt sich,
wie ja bereits auch schon von anderer Seite er-
wiesen, sein Einfluss in verschiedenen Werken Dürers
erkennen und zwar in dem Zeiträume von etwa
1489—1512.
Von 1489 sind es die „Drei Landsknechte“ und
„Ein Reiterzug" (Lippmann Dürers Handzeichnungen
Nr. 2 und 100), welche Kenntnis und Studium der
Mühe des Hausbuchmeisters voraussetzen lassen.
Bei letzterer Federzeichnung sind besonders die
Pferde von Interesse. Zum Teil nach denen des
Meisters E. S. zum Teil offenbar nach einem andern
Meister, der noch zu ermitteln wäre, zusammen-
gestellt, ergeben sie sich als recht wunderliche Er-
scheinungen. Sie muten noch ganz gotisch an und
erinnern stark an die Tiere auf den damals modernen
Spielkarten. Sie haben im Galopp sprengend, etwas
von der mechanischen Steifheit des Schaukelpferdes
(siehe den Reiter links, der der Dame nachsprengt.)
In ruhigerer Gangart ergeben sich geradezu komische
Formen. Das Pferd, welches den nach dem Hinter-
grund gewendeten Jüngling trägt, hat, was wir bei
Menschen O-beine nennen, ein anderes von rechts
nach vorn trabendes X-artige Vorderfüsse. Das
vorn in der Mitte im Profil erscheinende Tier mit
den zwei Reitern zeichnet sich durch latschigen
Gang und ungeheuerlich langgewachsene Hufe, wie
man sie bei lang im Stall gestandenen Kühen findet,
aus. Diese wunderbaren Beinstudien sind offenbar
auch von irgend einem Stecher übernommen, da
sie der Hand Dürers widersprechen. Die kurzen,
breiten Köpfe erinnern wieder etwas an E. S., doch
ist der Bau der Körper gedrängter. In den mensch-
lichen Figuren herrscht hier der Typus des Haus-
buchmeisters vor; ebenso wie in dem Studienblatt
von 1493 „Nackte Frau" (Lippmann Nr. 345), wo
alle Frauen, nur etwas massiger in der Modellierung,
auf den Hausbuchmeister weisen.
Von da an sehen wir in der Entwicklung des
Meisters eine Wandlung. Er wird er selbst und
wie er nun beginnt, Einflüsse zu verwerten ist eine
ganz verschiedene Art von der der früheren. Er
ist kein Lehrbub’ mehr, sondern Meister. Er nimmt
noch an, sehr viel sogar, aber in einer bewussten,
freien, jeder Aengstlichkeit fernen Weise. Dadurch
dringt er aber jetzt auch mit weit reiferem Ver-
ständnis in das Wesen seiner Vorbilder ein. Fesselte
ihn bisher das Aeusserliche der Kunst des Haus-

5*
 
Annotationen