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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 5
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Seydlitz, Reinhard von: Eine Monographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0278

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Eine Monographie.

Von R. Frhr. v. Seydlitz.

Da unser Zeitalter ein papiernes ist, wird es
auch das der Monographien sein; aber gleich so
vielen heute angestaunten Werken der Zeit werden
viele moderne Monographien sich im Laufe der
Jahre und Jahrzehnte als Werke einer kurzen Zeit,
ja als Werke des Tages erweisen: sub specie aeter-
nitatis schreibt heute selten Einer. Wer es dennoch
tut, verzichtet gern oder ungern auf flüchtigen
Tagesruhm, und muss sich oft mit dem zu allen
Zeiten unmodern gewesenen Gefühl der Befriedigung
begnügen, welches der stillen, bescheidenen Ueber-
zeugung vom gediegenen Wert seiner eigenen
Arbeit entspringt, also mit dem — im höchsten
Sinne des Wortes — guten litterarischen Gewissen.

Erschwerend für den Gründlichen und Be-
scheidenen tritt noch die Unrast, die Unart des
Nicht-Zeit-habens hinzu, die er beim Leser vor-
aussetzen zu müssen leider den allertriftigsten Grund
erfahrungsweise hat, und die endlich auch den Be-
sonnensten in der Arbeit verwirrt, seine Feder
flüchtig, seine Tinte blass macht, und ihm Gleich-
giltigkeit gegen die Holzfreiheit seines Papiers ein-
flösst. Man versteht, was ich meine: Wozu all meine
gründliche Mühe, wenn übermorgen meine Worte

schon verweht sind? Wozu die Arbeit fein schleifen
und polieren wie einen Solitär, wenn bald die Tages-
mode anderes verlangen wird?“ Für die „Ewigkeit“,
das heisst also für kommende Zeiten, arbeiten, —

fest fundamentieren und genau wölben, ausfeilen

und ciselieren, — lohnt sich eben nicht, im ge-
meinen Sinne. Daraus folgt, dass, wer es dennoch
tut, eines durchaus „ungemeinen“ Sinnes sein
muss; wie’s denn auch andererseits voraussetzt,
dass sein Thema zu den ungewöhnlichsten gehört.

Hier nun gerät man bei genauerem Zusehen
auf ein verwunderliches Factum: ein jedes solches
Thema hat nämlich eine mehr oder weniger „un-
gewöhnliche“ Seite, eine Seite also, die, wenn
richtig und voll angepackt, die Arbeit zu einer in-
teressanten machen muss. Beweis hierfür ist die
lebendige Wärme, in welcher der Arbeitende bald
erglüht, welche er deswegen auch seinem Werke
einhaucht, und welche endlich dem Leser lebendig,
wie sie aufs Papier gebannt wurde, auch wieder in
die Seele dringt.

Wer das Werk eines Künstlerlebens, wer den
Künstler selbst monographisch behandeln will, muss
selbst künstlerisch arbeiten, sein Werk muss selbst

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