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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0079

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DIE FÜRSTLICH. HOHENZOLLERNSCHEN SAMMLUNGEN
IN SIGMARINGEN
I. DIE GEMÄLDE

Das Schicksal des Fürstlich-Hohenzollernschen Mu-
seums zu Sigmaringen scheint besiegelt, dieses letzte
große deutsche Privatmuseum wird verkauft und die
einzelnen Stücke werden in alle Winde verstreut.
Diese Zeitschrift stellt sich nicht zur Aufgabe, kunst-
politische Fragen zu erörtern, aber es sei auch an
dieser Stelle die Hoffnung ausgesprochen, daß
alles geschieht, um die für Deutschland wichtigen
Stücke nach Möglichkeit festzuhalten.
Die Sammlung ist verhältnismäßig jungen Datums,
die Museumsanfänge reichen nicht über ein halbes
Jahrhundert zurück. Gesammelt wurde von jedem
der drei Fürsten mit viel Geschmack und Qualitäts-
gefühl und vor allem mit besonderer Liebe für die
deutsche Kunst. Man hat sich im Laufe der Jahre
immer mehr auf deutsche Kunst konzentriert, eine
Reihe vorzüglicher italienischer Bilder wurde gegen
deutsche Werke eingetauscht. Die Sammlung ist
ja weltbekannt, ihre Bedeutung zuletzt von Franz
Rieffel ausführlicher gewürdigt worden, zunächst
die Abteilung Gemälde und Skulpturen1). Auch
wir wollen hier zunächst auf die Gemälde der Samm-
lung kurz zu sprechen kommen. Es findet sich
neben hervorragenden Meisterwerken auch vieles,
was lediglich kunsthistorisches Interesse besitzt.
Es ist begreiflich, daß die Fürsten ein besonderes
Augenmerk der altdeutschen Malerei Südwest-
deutschlands geschenkt haben.
Unter den wenigen italienischen Bildern ragt die
von Paolo Veneziano und seinem Sohn Giovanni
geschaffene, vollsignierte „Marienkrönung“ vom
Jahre 1358 hervor. Das burgundische männliche
Bildnis vor rotem Grund soll demnächst hier be-
sonders gewürdigt werden. Unter den frühen Nieder-
ländern gelten die beiden Tafeln mit dem Engel
und der Maria der Verkündigung von Gerard David
mit Recht als die Glanzstücke. Es sind Arbeiten
aus des Meisters reifer Zeit, wohl bald nach 1500
entstanden. LImstritten sind die beiden Dirk Bouts
zugeschriebenen Madonnenhalbfiguren. Vor der
Madonna vor landschaftlichem Hintergrund, die
Winkler als eigenhändig betrachtet, Friedländer

-1) Städel-Jahrbuch III—IV (1924), S. 55 ff.

als schwächere Wiederholung des Exemplares im
Berliner Kaiser-Friedrich-Museum mit veränderter
Landschaft bezeichnet, darf man jedenfalls sagen,
daß sie nicht nur in der Gestaltung der Landschaft
von dem Berliner Exemplar abweicht, eine Brüstung
trennend zwischen die Madonna und die Landschaft
geschoben ist, sondern auch in der linken Schulter-
partie und in der Faltenbehandlung sich Abände-
rungen zeigen. Das Sigmaringer Bild ist im allge-
meinen weicher, malerischer behandelt gegenüber
der plastischen Schärfe des Berliner Exemplars.
Rätselhaft ist der Autor des köstlichen Triptychons
mit der sitzenden Madonna und dem knienden
Stifterpaar Jan de Witte, Bürgermeister von Brügge
und seiner Braut Maria Hoose, die Datierung
17. Juli 1473 auf dem Rahmen ist seinerzeit bei der
Reinigung des Bildes wieder zum Vorschein ge-
kommen. Der von Friedländer als Mitschüler
Memlings bei Roger von der Weyden bezeichnete
Autor verrät nicht zuletzt in der Behandlung der
Hände aber auch der des Pflanzenwerks, wenn
nicht deutsche Abstammung, so gewisse innere Be-
ziehungen zu Schongauer. Wir bilden hier weiter-
hin die Madonna mit musizierenden Engeln ab,
die allem Anschein nach aus dem Kreis des Geert-
gen tot Sint Jans stammt. Noch berühmter als die
von Friedländer dem Jan Joes van Calcar zugewie-
sene Beweinung Christi sind die beiden Bilder des
Meisters des Bartholomäusaltar, vor allem die
frühe Anbetung der Könige. Damit kommen wir
zu den Bildern des Kölner Kunstkreises. Die für
den Niederrhein typische, etwas naive und leicht
schwerfällige, aber doch an französischer Eleganz
geschulte Lieblichkeit und dekorative Begabung
verrät die Marienkrönung aus dem zweiten Viertel
des 14. Jahrhunderts, das früheste deutsche Stück
der Sammlung. Sind die meisten kölnischen Bilder
älterer Besitz der Sammlung, so ist das H. H. be-
zeichnete, elegante spätgotische Halbfigurenporträt
eines Mannes mit einer Nelke erst kurz vor dem
Krieg erworben worden. Unter den mittelrheini-
schen Bildern ist die Auferstehung Christi des
Hausbuchmeisters, ebenso wie die berühmte Dar-
stellung Wohlgemuts am Hofer Altar von Bouts

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