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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0352

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HOLZKÄSTCHEN. WESTFALEN UM 1200

MÜNSTER 1. W., LANDESMUSEUM

MINNEKÄSTCHEN IM MITTELALTER1)

Die Minnekästchen romanischer und gotischer Zeit sind für
die Kunstgeschichte ein fast jungfräuliches Thema. Gesammelt
werden sie seit einem Jahrhundert und manche haben bald
wegen ihrer Bedeutung für die Sittengeschichte und Kultur,
bald als Kunstwerke weltlicher Art die verdiente Beachtung
gefunden. Im Zusammenhang aber als eine besondere, von der
kirchlichen Kunst ganz unabhängige Kunstgattung sind sie in
diesem, mit Unterstützung des Deutschen Vereins für Kunst-
wissenschaft herausgegebenen Buch zum erstenmal behandelt
worden. Es hat jahrelanger Vorarbeiten bedurft, um den in
vielen Museen und Privatsammlungen zerstreuten Denkmäler-
bestand aufzusuchen, für den beschreibenden Katalog zu
sichten und von jedem künstlerisch bemerkenswerten Stück
die Photographien zu beschaffen, die nun auf 66 vortrefflichen
Lichtdrucktafeln vereinigt vorliegen. Das Format ist groß
genug, um die figürlichen und ornamentalen Schnitzereien
zu voller Wirkung zu bringen. H. Kohlhaussen, bekannt durch
x) H. Kohlhaussen, Minnekästchen im Mittelalter. Verlag für Kunstwissenschaft
E. Wasmuth, Berlin.

die große Publikation des Elisabethschreins in Marburg, hat
sein Thema von allen Seiten gründlich beleuchtet. Er bespricht
unter Heranziehung der literarischen Quellen des Mittelalters
die ursprüngliche Verwendung der Minnekästchen als Ge-
schenke Liebender; die Herkunftsgebiete, wobei der Löwen-
anteil den Ländern am Rhein von der Schweiz bis Köln zu-
fällt ; den engen Zusammenhang mit der Minnedichtung und
die Deutung der vorherrschenden Darstellungen. Bei den ro-
manischen Kästchen, die in überraschender Menge und Schön-
heit auftreten, macht sich die Wirkung orientalischer Vor-
bilder deutlich bemerkbar (Abb. S. 318), während der Früh-
gotik der Einfluß der französischen Elfenbeinschnitzereien
(Abb. S. 319). Im großen und ganzen aber spiegeln die
Minnekästchen deutsches Leben und einen ähnlichen Formen-
kreis wie die deutschen Bildteppiche der Gotik. Das Gebiet
ist nicht so umfassend, wie der Buchtitel vermuten läßt, weil
die an anderen Stellen schon erschöpfend veröffentlichten
Profankästchen der französischen Elfenbeinschnitzer hier
nicht mit einbezogen sind. O.v. F.

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