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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0236

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EIN HAUPTWERK IGNAZ BOTTENGRUBERS

Als der König unter den „Porzellan-Hausmalern“, d. h. den
Künstlern, die im 18. Jahrhundert unbemaltes Porzellan außer-
halb der Manufakturen nach ihrem eigenen Gusto bemalt
haben, ist längst der Breslauer Miniaturmaler Ignaz Botten-
gruber anerkannt und entsprechend bewertet worden. G. E.
Pazaurek hat ihm im I. Band seines aufschlußreichen Werkes
über die Deutschen Hausmaler ein eigenes Kapitel gewidmet,
dessen Resultate und Illustrationen mir die Zuweisung eines
noch nicht beachteten Werkesan Bottengruber erleichtern. Es
handelt sich um eine Meißener Porzellankanne aus der Köln-
Koblenzer Sammlung Seligmann, die in dunklem Braunrot en
camaieu ringsum mit der Darstellung einer Belagerung und des
Lebens und Treibens in einem Kriegslager bemalt ist (Abb.
unten, H. 23 cm). Ungezählte Figuren und Gruppen in krie-
gerischer Verrichtung sind in hügeligem Terrain verteilt: Zelte

werden aufgeschlagen und eingerichtet, Fouragewagen ange-
fahren und abgeladen, es wird abgekocht und geschlafen, ein
verwundeter Offizier wird zurückgetragen; im Mittelgrund wird
geschanzt und kanoniert, Artillerie in Stellunggebracht, Mörser
gerichtet; man sieht beobachtende Offiziere und Ordonanzen,
in Geländefalten vorrückende Truppen, einen Feldherrnhügel
mit dem Stab, den Rauch einer Kanonade und ein in Brand
geschossenes Fort am Flußufer. Weiter im Hintergrund am
anderen Uferdes Flusses die belagerte Stadt auf der Flöhe; man
möchte an die Donau und Belgrad denken. Auf dem Deckel ein
Reiterangriff und fliehende Türken. Alles das ist sehr lebendig
und bei aller Fülle von Menschen und Motiven klar und über-
sichtlich dargestellt, mit einer sicheren Komposition und einem
Können, das die dem Bottengruber schon von seinen Zeitge-
nossen gezollte Anerkennung wohl rechtfertigt.
Was sonst die Mehrzahl seiner Porzellanmalereien


IGNAZ BOTTENGRUBER. MEISSNER P O R Z E L L A N K A N N E
KÖLN, SAMMLUNGSELIGMANN

kennzeichnet, ist die Verbindung kleiner figür-
licher Bildchen mit einer breit entwickelten orna-
mentalen Rahmung aus allerlei Barockformen, die
so phantasievoll keinem seiner Nachahmer gelun-
gen ist. Es fehlt indes unter seinen bezeichneten
Werken auch nicht an rein figürlichen Malereien
ohne jede ornamentale Zugabe; es genügt als Bei-
spiel die Bacchantenkanne nebst Kumme und Tasse
im Hamburger Kunstgewerbemuseum (Pazaurek I
Abb. 136,137,139) anzuführen, wo die Figuren sich
ebenfalls in freier Landschaft bewegen. Nament-
lich ist die bezeichnete Untertasse des Bacchanten-
geschirrs von 1729 hervorzuheben, weil sie einen
Baum mit dürren Aststümpfen und etwas dürftiger
Krone aufweist, der offenbar dieselbe Hand verrät
wie der Baum im Vordergrund des unbezeichneten
Feldlagerbildes, auf dem ein Soldat Äste abhaut.
Bottengruber hat ähnliche Kriegsszenen in kleinen
Bildchen mit breitem Ornamentrand auf bezeich-
neten Tassen von 1726 dargestellt; auf einer Unter-
tasse in Nürnberg (Pazaurek I, Abb. 154) ist ein
Ausschnitt der Offiziersgruppe des Feldherrnhügels
wiederholt. Die etwas trockene Malweise der un-
bezeichneten Lagerkanne mit den starken Umrissen
der Figuren ist für Bottengruber kennzeichnend;
die sonst ungewöhnliche braunrote Farbe ist schon
von dem Breslauer Historiographen J. C. Kund-
mann, der Bottengruber noch bei der Arbeit ge-
sehen hatte, als eine der Farben erwähnt worden,
mit der Bottengruber „en Miniature gantze Hi-
storien auf Dresdener Porcellain . . . mahlete und
einschmelzete“. Da eine so figuren- und motiven-
reiche Historie wie das Feldlagerbild auf anderen
Arbeiten Bottengrubers nicht vorkommt und die
Ausführung an Sorgfalt seinen besten Stücken
mindestens gleichkommt, darf man die Lagerkanne
unbedenklich seinen Hauptwerken zurechnen. Der
Zusammenhang mit den erwähnten Geschirren von
1726 und 1729 weist sie in die Jahre vor 1730. f.

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