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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0339

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KUNSTWERKE DES 15.-18. JAHRHUNDERTS AUS BASLER PRIVATBESITZ

Der Basler Kunstverein hat am 15. April seine neuen Räume
mit einer Ausstellung alter Kunst aus dem heimischen Privat-
besitz eröffnet. Seit bald 400 Jahren gibt es in Basel Bürger,
die namhafte Kunstsammlungen angelegt haben: das Atner-
bachsche Kabinett, das Faeschische Museum hatten schon im
17. Jahrhundert europäischen Ruf. Im folgenden Jahrhundert,
als der Reichtum der Handelsherren in prachtvollen Stadt- und
Landsitzen den Rahmen für ein Leben großen Zuschnitts schuf,
wurde das Sammeln von Gemälden eine noble Passion, la
dcpense favorite des Bälois. Zur Zeit der napoleonischen Kriege
blühte hier ein reger Handel, eine nicht immer glückliche
Spekulation. Das letzte Jahrhundert hat einen Teil des alten
Besitzes erhalten und neuen hinzugefügt. Basel besitzt heute
zwar keinen Sammler ganz großen Stils, aber in den alten
Familien einen reichen Schatz guter Kunst, und eine Reihe
von Kunstfreunden, die in der Stille Treffliches erwerben. Die
Ausstellung gibt keinen vollständigen Überblick, aber einen
guten Einblick in die Art des Basler Kunstbesitzes.
Der Bestand an altdeutschen Bildern ist erst in jüngerer
Zeit zusammengekommen. Bekannt sind zwei Tafeln eines
Marien- und Stephanus-Altars, die einem Basler Meister um
1420 zugeschrieben werden, aber wohl eher aus dem öster-
reichischen Alpengebiet stammen dürften. Zwei Bilder des
Basler Heilspiegelaltars von Konrad Witz, die Ecclesia und der
Verkündigungsengel, beherrschen den Saal der Altdeutschen
und vertreten die kühnste, gewaltigste Kunst, die je in Basel
geschaffen wurde. Neben ihnen hält sich die bekannte Him-
melfahrt des Hans Koerbeke und ein sehr feiner Onophrius
in der Einöde, der als frühes Werk dem Meister der Darm-
städter Passion zugeschrieben worden ist. Eine entzückende
Maria mit dem Kind, in einer halbrunden offenen Säulenhalle
sitzend, erinnert an Petrus Cristus; das Bild scheint mir das
Werk eines rheinischen Schülers der frühen Niederländer
(Abb. S. 506). Von strenger Formung und verhaltener Inten-
sität ist das Bildnis eines Baumeisters, um 14S8 entstanden,
den ich als Jörg Ganghofer, den Erbauer der Münchener
Frauenkirche, feststellen konnte (Abb. S. 307). Die Bestimmung
auf Jan Pollack ist nicht einleuchtend, die niederländische
Schulung deutlich. Das 16. Jahrhundert ist durch die an-
mutige, farbig blühende Altartafel eines Luzerner Meisters
von 1515, durch gute Bilder aus den Werkstätten Cranachs,
Baldungs und Strigels, durch ein ausgezeichnetes Bildnis von
Bruyn, eine farbenschöne Historie des verlorenen Sohns von
Hans Sebald Beham (1537) mit einer fast niederländischen
Landschaft (Abb. S. 309), endlich durch das berühmte, an-
gebliche Selbstbildnis, sicher ein Spätwerk Hans Holbeins des
Jüngeren vertreten. Gute Handzeichnungen von Dürer, Alt-
dorfer, Baldung(?), Manuel und Stimmer runden neben vielen
anderen Bildern das Bild dieser Abteilung, in der die alt-

deutsche Malerei sehr würdig und eindrucksvoll zur Geltung
gebracht ist.
Italiener sind in Basel trotz der klassischen Neigungen der
hiesigen Bildungsschicht und der Nähe des Landes nie mit
großem Glück gesammelt worden. Einzelne Meister sind durch
gute Schularbeiten, eigentlich nur Bassano und ein noch nicht
bestimmter venezianischer Zeitgenosse durch je ein bedeuten-
des Bild vertreten.
Die ganze Liebe der älteren Sammler galt seit dem 18. Jahr-
hundert den holländischen Meistern. Eine große Landschaft
von Ruisdael ist hier eines der mächtigsten, wahrhaft bedeu-
tendsten Werke. Von Maes ist ein prächtiges Bildnis ausge-
stellt. Von Saftleven, van Goyen, Adriaen van de Velde sind
feine Bilder vorhanden, daneben viel anständiges Mittelgut, ein
hübscher Ostade und ein paar Zeichnungen Rembrandts.
Bei den alten Beziehungen zu Frankreich wundert man sich
nicht, eine Fülle guter Franzosen zu sehen. Ganz vorzüglich
ein Knabenbildnis Franz II. von Francois Clouet. Eine Reihe
trefflicher Bildnisse von Philippe de Champaigne, Rigaud,
Vivien (?) und das hervorragende Pastellbildnis der Madame
His von Latour. Sehr frisch in der Farbe und der Empfindung
ein kleiner de Troy von 1721: Juno (?) mit der Traube (Abb.
S. 310). Ein feines Mädchenbild, das als Greuze gilt, wahr-
scheinlich von Lepicie. Dann eine ganze Anzahl von Land-
schaften Hubert Roberts und mehrere Boilly, darunter ein
kleines Bijou : der Briefbote.
Auch die lange mißachteten Deutschen und Schweizer des
18. Jahrhunderts sind von den zeitgenössischen Basler Samm-
lern mit Verständnis gekauft worden. Gute Bildnisse sind von
Grooth, Esperlin, Handmann, von Anton Graff und J. H.Tisch-
bein ausgestellt. Maulpertsch, Seekatz und Januarius Zick ver-
treten vorzüglich das deutsche Rokoko, Füssli und der ältere
Töpffer die schweizerischen Meister.
Die alte Skulptur, die zur Belebung zwischen den Bildern auf-
gestellt wurde, bietet unter viel Mittelmäßigem ein paar sehr
interessante Stücke. Eine kleine. Vespergruppe aus Kalkstein
gilt als Westschweizerisch um 1450. Von hohem Adel und
tiefster Empfindung ist eine Maria unter dem Kreuz, die aus
Bethune stammen soll und der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts angehört (Holz) (Abb. S. 308). Sehr hübsch ist eine
kleine Holzgruppe aus dem Basler Kloster Klingenthal: Bischof
Pantalus mit sechs Jungfrauen (zweite Hälfte des 15. Jahr-
hunderts). Und die Terrakotta-Büste des Geheimsekretärs
Cesar-Levaux (um 1760—70), die mit einem Fragezeichen dem
Pajou zugeschrieben wird, vertritt vorzüglich die stolze
Flaltung, die Natürlichkeit und klare Psychologie des fran-
zösischen 18. Jahrhunderts. Die Ausstellung als ein Ganzes
ist dank den Bemühungen Rudolf Riggenbachs und seiner
Mitarbeiter vortrefflich gelungen . Otto Fischer

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