Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTLITERATUR

DIE KAMEEN IM KUNSTHISTORISCHEN MUSEUM
WIEN, von F. Eichler und E. Kris (A. Schroll & Co. 1927).
In der im Jahre 1919 begonnenen Reihe von Veröffentlichun-
gen einzelner Sammlungen des ehemaligen Hofmuseums in
Wien ist nun auch der wissenschaftliche Katalog der weltbe-
rühmten Kameensammlung aus habsburgischem Besitz erschie-
nen, der nicht nur für die Geschichte der Steinschneidekunst
von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, sondern auch für die
Goldschmiedekunst der Spätrenaissance sich als höchst auf-
schlußreich erweist. Das Werk behandelt unter Ausschluß
der Tiefschnittgemmen nur die Reliefkameen, die vollzählig
(726 Stück) in der Originalgröße auf 84 Lichtdrucktafeln ab-
gebildet sind. Trotz ihres alten Stammbaums hat die Samm-
lung sehr lange auf eine umfassende Durcharbeitung warten
müssen; ihr doppelter Reichtum, einerseits an antiken Kameen,
andrerseits an Renaissancearbeiten, die hauptsächlich dem Sam-
meleifer Kaiser Rudolfs II. zu verdanken sind, hat begreiflicher-
weise eher hemmend als anspornend gewirkt. Jetzt haben sich
in Eichler und Kris der Archäologe und der Renaissancefor-
scher zur gemeinsamen Arbeit zusammengefunden. Ihre viel-
fach verflochtenen Anteile ergänzen sich aufs glücklichste mit
dem Erfolg, daß in dem vorliegenden Werk wohl alle wissen-
schaftlichen Ergebnisse niedergelegt sind, die gegenwärtig aus
diesem etwas spröden, zum größten Teil anonymen Material
herausgeholt werden können. Die neuen Forschungsergeb-
nisse der beiden Autoren sind namentlich für die Renaissance-
glyptik von großer Bedeutung; das
Wesentlichste ist schon in den einführen-
den Kapiteln behandelt, die Form eines
beschreibenden Katalogs bringt es aber
mit sich, daß sie auch auf die kunstge-
schichtlichen Bestimmungen und Er-
läuterungen verteilt sind, die der Be-
schreibung jedes Stückes beigefügt sind.
Das erste einführende Kapitel sucht die
Geschichte der Sammlung, ihre Anfänge,
Zugänge und Verluste aus alten Inven-
taren und anderen Urkunden zu rekon-
struieren, eine mühevolle Arbeit, die
doch auch für die wissenschaftliche Be-
stimmung der vorhandenen Denkmäler
fruchtbringend gewesen ist. Die Hoff-
nung der Herausgeber, bei einer so fun-
damentalen Neubearbeitung auch in der

Künstlerbestimmung etwas voranzukommen, war nicht ver-
geblich, obwohl — oder weil — ihre kritische Vorsicht keine
fröhliche Jagd nach Meisternamen aufkommen ließ. Im Gegen-
teil ; sie haben manchen älteren Attributionen wieder den
Boden entzogen, weil haltbare Begründungen fehlen. So ist
die Autorschaft des Dioskurides für die Gemma Augustea,
die Krone der ganzen Sammlung, als zu hypothetisch bean-
standet und der seit 1821 ziemlich allgemein als Arbeit
Benvenuto Cellinis anerkannte Ledakameo (Nr. 260) dem
Florentiner wieder abgesprochen worden, weil er als ausge-
sprochenes Spätrenaissancewerk nicht mit der Ledamedaille
identisch sein kann, dieCellini im Jahre 1524 hergestellt hat.
Dafür ist über die Hofkünstler Kaiser Rudolfs II., mit denen
sich das 2. Kapitel befaßt, viel neue Aufklärung geschaffen
worden. Es gelang, von dem Mailänder Kameenschneider Ales-
sandro Masnago, der nach literarischen Quellen vornehmlich
für Rudolf II. gearbeitet hat, durch Stilvergleich mit einem das
Monogramm A. M. F. tragenden Kameo (Nr. 205) noch 17 Ar-
beiten in der Wiener Sammlung einwandfrei nachzuweisen
(Nr. 206—222) und noch andere Stücke seines Stils anzureihen.
Von Ottavio Miseroni aus Mailand, einem der in Prag ange-
stellten Hofkünstler Rudolfs, sind stilistisch völlig gesicherte
Arbeiten zusammengestellt worden und 10 weitere, die ihm
mit Wahrscheinlichkeit zugeteilt werden. Als Ausgangspunkt
dienten zwei Kameen mit dem Monogramm O. M. und Ott. M.
Es ist ein großer Vorzug des Katalogs, daß auch die kostbaren
emaillierten Goldfassungen der Renais-
sance, die so wesentlich zu dem Glanz
der Wiener Sammlung beitragen, ein-
gehend behandelt sind. Die Heimats-
bestimmung der Renaissancebijoux, mit
denen die Kameenfassungen wesensver-
wandt sind, liegt noch völlig im Dunkeln
und jede begründete Lokalisierung ist
auf diesem Feld als dankenswerter Fort-
schritt zu begrüßen. Im Katalog wird
zunächst eine kleine Gruppe von Gold-
fassungen mit eigentümlich zellenartiger
Emaillierung als französisch nachge-
wiesen (Nr. 21, 145, 400,401). Wich-
tiger ist die Feststellung von Kameen-
fassungen aus den rudolfmischen Hof-
werkstätten, die eine beträchtliche Zahl
von Goldschmieden in Prag beherberg-




99

13
 
Annotationen