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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0325

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DIE PLAKETTEN DES PAULUS VAN VI A N E N

VON RUDOLF VERRES

Unsere Vorstellungen von Paul van Vianen, dem
vor 1570 geborenen, im Jahr 1613 in Prag verstor-
benen Hofgoldschmied Kaiser Rudolfs II., sind noch
unvollständig geblieben, weil man sich vornehmlich
auf die Betrachtung seiner Edelmetallarbeiten be-
schränkt hat. Von seinen Plaketten — meist Schalen-
böden — ist zwar einiges veröffentlicht worden1),
aber eine systematische Durchforschung der zahl-
reichen Bleiplaketten vom Ende des 16. und Anfang
des 17. Jahrhunderts hatte noch nicht stattgefunden.
Sie erbringt eine so starke Vermehrung des Gesamt-
werks unseres Meisters, daß sein Entwicklungsgang
nun deutlicher zu überblicken ist2).
Die Zuschreibung der Plaketten muß von seinen
signierten und datierten Silberarbeiten ausgehen,
die von 1604 bis 1612 reichen. Man findet sie im
IV. Band der 3. Auflage von Marc Rosenbergs Merk-
zeichen unter Utrecht verzeichnet. In dieser Auf-
zählung fehlt nur die Silberschale mit der Enthaup-
tung des Argus durch Merkur (Abb. 1), die als
Leihgabe der Reformierten Kirche in Rij swick im
Delfter Reichsmuseum ausgestellt ist3)- Der Schalen-
boden trägt unter der rechten Schulter des Getöteten
die Signatur 1607. Die beiden von H. Modern
beschriebenen Silberreliefs im Besitz des Fürsten
von Fürstenberg auf Schloß Heiligenberg in Baden
(Ros. 7698 f.) sind noch nicht abgebildet worden. Das
Orpheusrelief von 1606 (Abb. 6) mißt 7:9,5 cm,
die Platte mit der Anbetung der Hirten von 1607
(Abb. 3) ist 32: 24 cm groß. Die letztere hat stili-
stisch große Ähnlichkeit mit dem vier Jahre jüngeren
Silberrelief der Heiligen Familie im Amsterdamer
Reichsmuseum (Pit, Goud- en Zilverwerk Nr. 67,
Taf. XXVII; Ros. 7706), was als einer der Beweise
dafür dienen kann, daß auch die von Paul van Vianen
im Jahr 1608 gewählte und dann beibehaltene Si-
gnatur ihm und nicht, wie Bange zur Diskussion
gestellt hat, einem anderen Meister gehört. Über das
1) Vgl. H. Modern, Paul van Vianen, Jahrb. d. Kunsthistor. Sammlungen,
Wien 1894, XV, S. 89. — A. Pit, Goud- en Zilverwerk, Amsterdam, S. 28. —
J. Leisching, Sammlung Lanna 1909, I, S. XLI. — Bange, Berichte „Berliner
Museen“ 1922, S. 110.
2) Das Folgende bildet eine Art Fortsetzung der Aufsätze über die Nürnberger
Plakettenmeister Hans Jamnitzer und Jonas Silber, vgl. Falke, Jahrb. d. preuß.
Kunstsammlungen 1926, S. 196; „Berliner Museen“ 47,1926, S. 57, u. 48,1927, S. 2.
3) L’art flamand et hollandais XX, 1913, S. 133. Die Photographie verdanke ich
der Freundlichkeit von Frl. Ida C. E. Peelen in Delft. Die Fassung ist jünger als
der Schalenboden. — Auf der Amsterdamer Historischen Ausstellung 1925 (Kata-
log 681 u. 683) waren zwei voll bezeichnete Silberplatten Paul van Vianens, im
Besitz von Frau B. Nathusius, mit Saul und David bzw. Lot und seinen Töchtern.
Diese sind, da Photographien fehlen, hier nicht mit einbezogen.

Gothaer Gnadenstuhlrelief von 1608 (Ros. 7701),
das neuerdings G. Habich abgebildet hat4), ist zu
sagen, daß H. Modern richtig versilbertes Kupfer an-
gibt, während Habich irrtümlich von Silber spricht.
Das querrechteckige Silberrelief mit dem eingeschlä-
ferten Argus in Amsterdam (Pit Nr. 66, Taf. XXIX;
Ros. 7705) von 1610 wird ein Gegenstück mit der
Enthauptung des Argus gehabt haben, das jedoch
bis jetzt nicht nachweisbar ist. Die Signatur Vianens
erweist das Amsterdamer Silberexemplar als das
Original, das Bronzeexemplar mit dem Monogramm
CB im Kaiser-Friedrich-Museum dagegen als eine
Kopie5).
Von dem letzten signierten und datierten Werk des
Künstlers, das wir kennen, einem Schalenboden mit
der Susannenszene, ist das Silberoriginal nicht be-
kannt, sondern nur zwei Bleigüsse. Bei dem Exem-
plar der ehemaligen Sammlung v. Lanna ist die letzte
Ziffer des Datums unvollständig, so daß J. Leisching
(Sammlung Lanna I, 1909; Nr. 1964, Taf. 36) zur
Lesung 1617 kam; Bange hat daher diese Plakette
aus dem Werk unseres 1613 gestorbenen Meisters
ausscheiden wollen. Allein das Amsterdamer Blei-
exemplar (Pit Nr. 70, Taf. XXVI) trägt deutlich die
Jahreszahl 1612, die freilich auch Pit irrig für 1617
angesehen hat. Nachdem die Susannenplatte somit
wieder ihren Platz innerhalb der Lebenszeit Vianens
hat, darf erneut auf das 1708 literarisch bezeugte
Vorhandensein einer getriebenen Susannendarstel-
lung Paul van Vianens hingewiesen werden (vgl.
H. Modern, S. 91).
Bei der Beurteilung der gesicherten und datierten
Arbeiten in künstlerischer Hinsicht muß beachtet
werden, daß Paul uns auch als Maler überliefert ist.
Wohl hauptsächlich auf seine Eigenschaft als hol-
ländischer Maler wird das besondere Interesse an
landschaftlichen Dingen zurückzuführen sein, das
uns in seinen Reliefarbeiten begegnet. Das Bestre-
ben, seine Szenen an waldigen Örtlichkeiten sich
abspielen zu lassen, ist augenfällig. Diese Sze-
nerien detailliert auszuführen ist aber gerade im ge-
triebenen Relief keine leichte Aufgabe. Nun wissen
wir durch Sandrart, daß der Künstler vor 1603,
dem Jahre seiner Bestallung als Kammergoldschmied
4) G. Habich, Treibarbeit, Münchener Jahrb. N. F. IV 1927, S. 334.
5) Bange, Kat. Bildwerke II 1923, Nr. 8308.

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