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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0195

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BILDNISSE VON QUENTIN MASSYS

VON MAX J. FRIEDLÄNDER

Quentins „Werk“ ist in den letzten Jahren durch
Funde in Spanien und England beträchtlich ver-
größert worden. Als Bildnismaler tritt Massys her-
vor mit Mannigfaltigkeit in Komposition und Auf-
fassung. Fern von der handwerklichen Monotonie,
mit der Joos van Cleve gleichzeitig und etwas später
die Porträtmalerei ausübte, hat er ehrgeizig, kunst-
reich und preziös jedesmal nach dem gegebenen in-
dividuellen Falle zu Ausschneidung der Figur, Bewe-
gung und Hintergrundsfüllung neu angesetzt. Das
Gemeinsame liegt tief und ist schwer zu formulieren.
Zunächst hat der Meister in allen Fällen empfind-
liche Würde aus Eigenem den Dargestellten ein-
gehaucht. Die Beseelung äußert sich zuweilen pathe-
tisch und selbst rhetorisch, wie in dem spät ent-
standenen Männerporträt, das im Staedel-Institut
zu Frankfurt bewahrt wird. Der Mund öffnet sich
leicht oder schließt sich fest, gewöhnt, geistige
Werte auszugeben oder zu verschließen.
Dann die subtile und meisterliche Zeichnung, die
sich in Überschneidungen und Verkürzungen be-
währt, die Modellierung mit zarten Übergängen.
Die Schatten setzen an der einen Seite reinrandig
an und laufen nach der anderen Seite sanft und
weich aus. Endlich die fein vertriebene, emailartig
feste Farbmaterie.
Das hier abgebildete, aus Österreich stammende
Männerporträt fällt auf durch offene Lokalfarbig-
keit. Entschiedenes Rot und Blau in weiten Flächen,
blond bräunliches Fleisch umrahmend. Wir be-
gegnen einer geprüften und erfahrenen Seele, die sich
in stolzer Zurückhaltung abgrenzt. Alle Männer, die
Massys gemalt hat, haben mit Erasmus von Rotter-
dam gemeinsam die gepflegt aristokratische Erschei-
nung gelehrter Diplomaten und berechtigten Stolz.

Daß Massys der Autor dieses Bildnisses sei, läßt
sich nicht durch Hinweis auf irgendwelche spezielle
Merkmale dartun. Verfolgt man den Umriß, tastet
man die Formschale ab, so wird, wie ich meine, der
persönliche, nicht zu verwechselnde Rhythmus seiner
Seele fühlbar werden. Alles gleichzeitige Nieder-
ländische ist, daneben gestellt, vulgär, auftrumpfend
oder leer typisch oder von gesuchter Manier.
In der Literatur werden als Bildnisse von Quentins
Hand aufgeführt: Der Mann im Staedel-Institut
mit den stark bewegten Händen; der Chorherr in
der Liechtensteinschen Galerie; der Erasmus in der
Galerie Corsini zu Rom und der Ägidius in Long-
ford Castle.
Die folgenden Porträts sind hinzugekommen:
1, 2 — Das Paar in der Galerie von Oldenburg.
3 — Das Bildnis eines Mannes, datiert 1508, in der
Sammlung Reinhart, Winterthur.
4 — Das Bildnis eines vornehmen Mannes, in der
Sammlung Friedsam, New-York.
5 — Das Bildnis eines Mannes, in Northwich Park.
6 — Das Bildnis eines Mannes, im Museum von
Chicago.
7 — Das Bildnis einer Frau, im Kunsthandel, New-
York (Abb S. 172).
8 — Das Bildnis eines Mannes, angeblich Gonsalvo
de Cordova, in der Sammlung Earl Amherst,
Montreal, Sevenoaks.
9 — Das hier aus dem Berliner Privatbesitz publi-
zierte Porträt.
Widerspruch gegen diese Bestimmungen ist nicht
laut geworden, doch bin ich keineswegs sicher,
daß Stillschweigen in diesem Falle Zustimmung
bedeutet.

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