Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0348

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ÜBER EINE MITTELRHEINISCHE ZEICHNUNG DER SPÄTGOTIK
VON ERNST BUCHNER

Das „Werk“ des sogenannten Hausbuchmeisters wird
durch eine Menge irrtümlicher Zuschreibungen ver-
unklärt. In den „Studien zur mittelrheinischen Ma-
lerei und Graphik der Spätgotik und Renaissance“
(Münchner Jahrbuch 1927, S. 229—325) habe ich ver-
sucht, ein paar mittelrheinische und mainfränkische
Zeit- und Zunftgenossen des Eiausbuchmeisters her-
auszuarbeiten und auf eigne Beine zu stellen, wo-
bei einige unhaltbare Hausbuchmeister-Zuweisungen
daran glauben mußten. Bei derBesprechung des eigen-
willigen, vielseitig begabten Meisters WB fand auch
jener ungebärdig-kraftvolle Maler einer Passionsfolge
(Karlsruhe, Köln, Privatbesitz) kurze Erwähnung, den
man ohne überzeugende Beweisgründe mit dem jun-
gen Hausbuchmeister gleichgesetzt hatte. Eine schär-
fere Betrachtung zeigt jedoch, daß der „Meister der
Karlsruher Passion“, wie er vorläufig genannt sei,
nicht nur einer älteren Generation angehört, sondern
auch wesentlich derber und rauher, bäurischer und
dumpfer veranlagt ist als der ungleich reicher be-
gabte „Eiausbuchmeister“.


MEISTER DER KARLSRUHER PASSION
GEFANGENNAHME CHRISTI
KÖLN, WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM

Bis jetzt sind fünf, vom gleichen Altarwerk stam-
mende Passionsszenen seiner Hand aufgetaucht; drei
davon (Dornenkrönung, Kreuzannagelung, Entklei-
dung, letztere als Leihgabe) bewahrt die Karlsruher
Kunsthalle, die Gefangennahme hängt im Wallraf-
Richartz-Museum (Abb. S. 314) zu Köln und die m.W.
in der Literatur noch unbekannte „Geißelung“ wurde
1902 als „Holbein d.Ä.“mit der Sammlung Raedt van
Oldenbarnevelt bei Muller versteigert.
Die dichte, räumlich willkürliche, massig ballende
Kompositionsweise der Passionsszenen gemahnt an
einen Meister, der noch von einem wahren horror
vacui besessen ist und wesentlich älter als der
Eiausbuchmeister gewesen sein muß. Ebenso wirkt
die oft wirre Häufung der Akzente, das Zuviel an
grimassierender Charakteristik, die Willkür in der
Proportionierung der Gestalten, deren riesige Köpfe
nicht selten unorganisch auf den Schultern sitzen,
schließlich die eigentümliche Starrheit und Gebun-
denheit mancher Bewegungen viel zu altertümlich und
primitiv, als daß man hier mit Grund an den Haus-
buchmeister als Urheber denken könnte. Und mit
seiner lauten, grellen, unflätig-wilden Charakterzeich-
nung, seiner bäurisch unbekümmerten, drauf los pol-
ternden Erzählungsweise, seinem Hang zur grotesken
Grimasse setzt sich der Maler der Passionsszenen
entschieden von der Art und Kunst des Hausbuch-
meisters ab. Damit soll nicht verkannt werden, daß
die beiden stammverwandten Maler manche Züge,
insbesondere in der Farbenwahl und Malweise, ge-
mein haben und daß der jüngere Hausbuchmeister
von dem Passionsmeister Anregungen empfangen hat.
Der „Maler der Karlsruher Passion“ spielt innerhalb
der Entwicklung der mittelrheinischen Malerei eine
wichtige Rolle. Zwischen dem „Meister der Darm-
städter Passion“ und dem Hausbuchmeister steht er als
erdgebundener, gebärdenhungriger, bäurisch-kraft-
voller Mittelsmann, dem eine ausgesprochene Bega-
bung für ausdrucksstarke Mimik eigen ist.
Mit der „Gefangennahme“ desPassionsmeisters steht
eine kürzlich im Münchner Handel (Jaques Rosen-
thal) aufgetauchte Federzeichnung (Abb. S. 315) in
unmittelbarem Zusammenhang, den zu klären die
Aufgabe der folgenden Zeilen ist. Das mit braun-
schwarzer und lichtbrauner Feder gezeichnete Blatt
mißt 257 mm in der Höhe, 199 (bezw. 197) in der Breite.
Das rötlich gefärbte Papier ist stellenweise etwas ver-
blaßt. Das Blatt, auf dessen Rückseite zwei sorgfältig
mit braunschwarzer Feder durchgeführte, dunkelgrau
lavierte Draperie-Studien [die obere stark beschnit-
ten] zu sehen sind, dürfte zu einem Skizzenbuch ge-
hört haben. Die „Gefangennahme“ auf der Vorder-
seite des Blattes ist unten in der Mitte von späterer
Hand mit dem Schongauer-Monogramm versehen
worden. Die Verwendung verschiedener Tinten bei
der Zeichnung der Gefangennahme könnte an eine
Überarbeitung von anderer Hand oder an eine Be-

314
 
Annotationen