DER ÄLTESTE NATIONALINDISCHE
BUDDHA TYP
VON L. SCHERMAN (MÜNCHEN)
Die Neuaufstellung des Münchner Museums für Völ-
kerkunde ist glücklich bis zur indischen Abteilung
gediehen. Von den drei Sälen, in die ihre Hauptbe-
stände einzugliedern waren, werden wohl die meisten
Leser dieser Zeitschrift den letztem Raum bevor-
zugen, an dessen bestbelichteten Flächen die Stein-
plastik der Hauptreligionen Indiens ihren Platz ge-
funden hat. Die eindrucksvolle Wucht der großen
Mathura-Gebilde zwingt uns in ihren Bann, und
das breite Hochrelief in der Mitte dieser Reihe
(Abb. S. 149) lädt fast gebieterisch zu eindringlicher
Betrachtung ein. Will diese aber bis zum kultur-
geschichtlichen Untergrund vordringen, so muß
sich der Blick auch jener Seite des Saales zuwen-
den, die uns mit etlichen bescheideneren, gleich-
wohl der charakteristischen Ausdruckskraft nicht
entbehrenden Beispielen aus der graeco-buddhisti-
schen Epoche bekannt macht. Sie in unsere prü-
fende Würdigung einzuschließen gebietet der Um-
stand, daß wir der Entstehung des Buddha-Bildes
nicht nachspüren können, ohne uns in jene seltsame
Kunstmischung einzufühlen, deren Mittelpunkt in der
äußersten Nordwestecke des heutigen vorderindi-
schen Reiches und noch ein Stück über die afgha-
nische Grenze hinaus lag, wo ehedem das baktrische
Reich begann. In diesem Lande, das einer unruhigen
Folge fremder Invasionen von Griechen, Parthern
und mit iranischem, türkischem und skythischem
Blute durchsetzten Stämmen geöffnet war, und ganz
besonders in der anstoßenden Gandhara-Provinz
(von der jetzigen Stadt Peshawar östlich über den
Indus bis zur Nordspitze des Panjab) schoß ein
kunsthandwerklicher Betrieb üppig in die Halme,
der unverhüllt darauf ausging, den Kultbauten' des
Buddhismus in mannigfachen Teilen ihrer Aus-
schmückung hellenistische Formen aufzuprägen. Hier,
an den westlichen Ausläufern seines Bereiches, emp-
fand man nicht die Scheu, mit der man im Innern,
näher seinen altverehrten Gedächtnisstätten, noch
Jahrhunderte nach des Meisters Eingang ins Nir-
vana davor zurückbebte, inmitten des episoden-
frohen Steinschnitzwerkes Buddha anders als in leiser,
unpersönlicher Symbolisierung erscheinen zu lassen.
In Gandhara und Baktrien hingegen war weder eine
nationale noch eine religiöse Tradition derart ver-
wurzelt, daß solch feinfühlige Rücksichten es ans
Herz gelegt hätten, für Buddhas zeremonielle
Ehrung eine andere Plattform zu wählen, als man
sie Göttern griechischer, zoroastrischer oder brah-
manischer Herkunft einzuräumen gewohnt war; dies
um so weniger, als sich recht schnell erwies,
welch greifbarer Nutzen für die Propaganda der
Lehre aus solchem Verfahren nach bewährtem Mu-
ster entsprang. Die Schaffung dieses Pantheons mit
dem Religionsstifter an der Spitze war nicht die
wenigst treibende Kraft, die dem von seiner lichten
BUDDHA. GRAECO-BUDDHISTISCHE ARBEIT
GEGEN ENDE DES 1. JAHR H. VOR CH R.
Nach Cambridge History of India I, Taf. .34
147
19
BUDDHA TYP
VON L. SCHERMAN (MÜNCHEN)
Die Neuaufstellung des Münchner Museums für Völ-
kerkunde ist glücklich bis zur indischen Abteilung
gediehen. Von den drei Sälen, in die ihre Hauptbe-
stände einzugliedern waren, werden wohl die meisten
Leser dieser Zeitschrift den letztem Raum bevor-
zugen, an dessen bestbelichteten Flächen die Stein-
plastik der Hauptreligionen Indiens ihren Platz ge-
funden hat. Die eindrucksvolle Wucht der großen
Mathura-Gebilde zwingt uns in ihren Bann, und
das breite Hochrelief in der Mitte dieser Reihe
(Abb. S. 149) lädt fast gebieterisch zu eindringlicher
Betrachtung ein. Will diese aber bis zum kultur-
geschichtlichen Untergrund vordringen, so muß
sich der Blick auch jener Seite des Saales zuwen-
den, die uns mit etlichen bescheideneren, gleich-
wohl der charakteristischen Ausdruckskraft nicht
entbehrenden Beispielen aus der graeco-buddhisti-
schen Epoche bekannt macht. Sie in unsere prü-
fende Würdigung einzuschließen gebietet der Um-
stand, daß wir der Entstehung des Buddha-Bildes
nicht nachspüren können, ohne uns in jene seltsame
Kunstmischung einzufühlen, deren Mittelpunkt in der
äußersten Nordwestecke des heutigen vorderindi-
schen Reiches und noch ein Stück über die afgha-
nische Grenze hinaus lag, wo ehedem das baktrische
Reich begann. In diesem Lande, das einer unruhigen
Folge fremder Invasionen von Griechen, Parthern
und mit iranischem, türkischem und skythischem
Blute durchsetzten Stämmen geöffnet war, und ganz
besonders in der anstoßenden Gandhara-Provinz
(von der jetzigen Stadt Peshawar östlich über den
Indus bis zur Nordspitze des Panjab) schoß ein
kunsthandwerklicher Betrieb üppig in die Halme,
der unverhüllt darauf ausging, den Kultbauten' des
Buddhismus in mannigfachen Teilen ihrer Aus-
schmückung hellenistische Formen aufzuprägen. Hier,
an den westlichen Ausläufern seines Bereiches, emp-
fand man nicht die Scheu, mit der man im Innern,
näher seinen altverehrten Gedächtnisstätten, noch
Jahrhunderte nach des Meisters Eingang ins Nir-
vana davor zurückbebte, inmitten des episoden-
frohen Steinschnitzwerkes Buddha anders als in leiser,
unpersönlicher Symbolisierung erscheinen zu lassen.
In Gandhara und Baktrien hingegen war weder eine
nationale noch eine religiöse Tradition derart ver-
wurzelt, daß solch feinfühlige Rücksichten es ans
Herz gelegt hätten, für Buddhas zeremonielle
Ehrung eine andere Plattform zu wählen, als man
sie Göttern griechischer, zoroastrischer oder brah-
manischer Herkunft einzuräumen gewohnt war; dies
um so weniger, als sich recht schnell erwies,
welch greifbarer Nutzen für die Propaganda der
Lehre aus solchem Verfahren nach bewährtem Mu-
ster entsprang. Die Schaffung dieses Pantheons mit
dem Religionsstifter an der Spitze war nicht die
wenigst treibende Kraft, die dem von seiner lichten
BUDDHA. GRAECO-BUDDHISTISCHE ARBEIT
GEGEN ENDE DES 1. JAHR H. VOR CH R.
Nach Cambridge History of India I, Taf. .34
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