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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0274

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REITER- AQUA MAN ILIE N. I

VON OTTO v. FALKE

Die mittelalterlichen Gießgefäße aus Bronze und
Messing, die bei figürlicher Gestaltung über das
kunstgewerbliche Niveau hinausragen und auch in
der allgemeinen Schätzung hinter den Bronzestatuet-
ten namhafter Renaissancebildhauer nicht Zurück-
bleiben, bilden kunstgeschichtlich ein dunkles Kapi-
tel, insofern die Bestimmung ihrer Ursprungsländer
noch kaum ernstlich versucht worden ist. Man wird
sich damit abfinden müssen, daß die Meisternamen
dauernd verborgen bleiben, weil die Aquamanilien
des 13. und 14. Jahrhunderts, so großzügig und straff
auch viele stilisiert sind, doch mit seltenen Ausnahm en
nicht von Bildhauern, sondern von den Gelbgießern
selbst geschaffen sind, in einer gewerblichen Schicht
also, deren einzelne Glieder damals noch nicht aus
dem Schatten der Anonymität hervortraten. Es wäre
aber schon ein Gewinn, wenn es gelingt, einige stili-
stisch zusammengeschlossene Gruppen regional fest-
zulegen und wenigstens das Land ihrer Entstehung
zu bestimmen. Ist das erst mit dem hervorragendsten
Typus der Gießgefäße in Reiterform geschehen, so
werden sich auch aus der Menge der schlichteren
Aquamanilien in Tierform manche verwandte Stücke
ankristallisieren.
Es handelt sich in der Hauptsache um zwei große
Ursprungsgebiete für die Gelbgußgeräte des Mittel-
alters: ein westliches im lothringischen Maastal und
ein östliches in Norddeutschland. Man könnte auch
von einem französischen und einem deutschen Distrikt
sprechen; das würde aber nur annähernd zutreffen,
weil das westliche Gebiet auch nach Flandern und
mit Aachen nach Deutschland hineinreicht, während
dem östlichen wahrscheinlich dänische Werkstätten
zuzurechnen sind. Die im französischen Sprachbereich
übliche Gattungsbezeichnung „Dinanderie“ für roma-
nische und gotische Messinggeräte darf keineswegs
als allgemein gültiger Heimatsnachweis angesehen
werden. Das Maasland, zu dem auch Dinant gehört,
ist sicherlich der ältere und auch künstlerisch über-
legene — daher der gebende — Sitz der hier in Be-
tracht kommenden Metallplastik, und seine Aqua-
manilien und Leuchter sind im 13. und 14. Jahrhundert
für den Osten und Norden offenbar vorbildlich ge-
wesen. Dagegen hat der Osten die viel größere Produk-
tion an Aquamanilien aufzuweisen; es ist kein Zufall,
daß in Deutschland und seinen nordischen Nachbar-
ländern sich die große Mehrzahl aller Aquamanilien
erhalten hat. Es scheint, daß der kirchliche und welt-
liche Gebrauch figürlicher Gießgefäße zum Hand-
waschen sich in Deutschland mehr eingebürgert hatte
als im Westen; ist doch Lüneburg die einzige Stelle,
wo die Herstellung profaner Wassergefäße in Löwen-
form noch um 1540 durch die zwei silbernen Gieß-
löwen des Ratsschatzes erwiesen wird. Nun ließe sich

gegen die dokumentarische Beweiskraft der nord-
deutschen und skandinavischen Fundorte einwenden,
daß die leicht transportablen — und in der Tat bis
nach Ungarn, Siebenbürgen, Polen, Rußland vertrie-
benen — Aquamanilien auch von der zur Hansa zäh-
lenden Stadt Dinant aus im Nord- und Ostseegebiet
verbreitet sein könnten; aber dieser Einwand wird
hinfällig, sobald sich stilistische und qualitative
Unterschiede zwischen den westlichen und östlichen
Aquamanilien aufweisen lassen.
Bei einer in dieser Richtung angestellten Unter-
suchung der romanischen und frühgotischen Gelb-
gußleuchter (vgl. Falke, Die Simsonleuchter, Amtl.
Berichte Berliner Museen 1926, H, 2, S. 23 und Die
romanischen Drachenleuchter, Zeitschr. f. bild. Kunst,
1926, S. 3) hat sich als wesentlichster Unterschied
ergeben, daß bei den lothringischen Leuchtern die
Gewandfalten der Figuren und das Gefieder der
Drachen plastisch gebildet sind, während in
Deutschland dafür mit geringerem Kunstaufwand
nur eine lineare Gravierung der Draperie ein-
tritt. Nun scheiden sich auch die Reiteraquamanilien,
die fraglos aus gleichartigen Werkstätten wie die
Leuchter hervorgingen, in eine Gruppe mit plasti-
schen Gewandfalten und eine andere mit gravierter
Zeichnung. Der Analogieschluß ist kaum abzuweisen,
daß die erstere Gruppe aus dem Westen, die zweite
aus dem Osten stammt. Dabei ist allerdings bei der
plastischen Gattung mit der Möglichkeit zu rechnen,
daß sie vielleicht auch deutsche oder dänische Nach-
bildungen mit einschließt, während die Wahrschein-
lichkeit sehr gering ist, daß gravierte Aquamanilien,
die künstlerisch tiefer stehen, im Maasgebict nach-
geahmt worden wären.
Von den 26 Reiteraquamanilien, die bis jetzt bekannt
geworden sind, entfallen auf die westliche Gattung
etwa 8 Stück, denen noch eine als Vollguß ausgeführte
Ritterstatuette aus dem Ressmann-Vermächtnis im
Bargello angereiht werden kann (abgeb. Formen-
schatz 1907, Nr. 15; Les Arts 1902, Nr. 9, S. 11; Schild,
Lanze, Schwert ergänzt). Von den drei Reitern des
Britischen Museums sind die beiden hier abgebildeten
Exemplare durch die freie, ungezwungene Körperhal-
tung ausgezeichnet; der beiHexham aus demTynefluß
gehobene Lanzenträger (Abb. 1, S. 247) sitzt mit vorge-
beugtem Oberkörper auf hochbeinigem Roß, der
Waffenrock ist deutlich vom Panzerhemd abgesetzt,
das Pferdegeschirr mit plastischen Rosetten verziert.
Die etwas kümmerliche Bildung des zügelführcnden
linken Armes ist — wie bei mehreren anderen Reiter-
aquamanilien — daraus zu erklären, daß der Arm
durch einen jetzt fehlenden Schild verdeckt war.
Der andre Ritter des Britischen Museums (Abb. 2,
S.247)zeigtsichinSeitenwendung des Oberkörpers; es

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