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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0284

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WA NDMALEREIEN AUS SCHLOSS PREMSTÄTTEN
AUSSTELLUNG BEI FLATOW &. PRIEMER, BERLIN

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Kunst
des dekorativen Freskos in Österreich den Höhe-
punkt erreicht. Von den Decken in den Kirchen
war das Fresko gewandert in die Prunkräume der
Klöster, in die Stiegenhäuser der Schlösser, in die
Säle und Wohnräume. Es hatte über die Rahmen
der Felder hinausgegriffen, die ganze Decke und
schließlich auch die Wände für sich beansprucht, ja
die Vertäfelung und den textilen Wanddekor ver-
drängt. In gleichem Maße wurde der Illusionismus
immer mehr ausgebaut, bis er schließlich alle archi-
tektonischen Grenzen aufzehrte. Die Entwicklung
geht in den europäischen Ländern in den gleichen
Etappen vor sich; sie wird aber nirgends zu der
Konsequenz entwickelt wie in einigen Profanräumen
Österreichs. Die Wandmalereien des Johann Bergl
(1718—89) bezeichnen den Höhepunkt des Illusio-
nismus. Die Zimmer in Schloß St. Veit bei Wien
(1762/63), im Gartenpavillon von Melk (1763/64),
in Schloß Pielach bei Melk (1766), im Erdgeschoß
des Schlosses Schönbrunn (1774) haben keine faß-
baren Wände mehr. Jede architektonische Begren-
zung fehlt. An allen Seiten blickt man ins Freie, in
die Linendlichkeit exotischer Landschaften, wo Pal-
men und andere tropische Bäume stehen, in deren
Kronen sich Papageien wiegen. Die Wand geht
ohne Trennung in die Decke über und durch den
hellen Luftraum schwirren bunte Vögel. Um die Illu-
sion zu vervollständigen, hat man auch dem Möbel
eine naturalistische, spielerische Form gegeben und
die Öfen zu Grotten mit Muschelwerk gestaltet. Es
sind gewöhnlich Parterreräume und Gartensäle, die
diese illusionistischen Malereien haben. Aus der
Strenge des geometrischen Gartens kam man direkt
in eine erträumte Welt exotischer Naturnähe.
Dem Kreise um Bergl gehört auch der Maler an, der
das Schloß Premstätten in Steiermark dekoriert hatte.
Seinen Namen wissen wir nicht. Er war keiner
der Führenden, ein provinzieller Meister, der aber
seinen hauptstädtischen Kollegen die naive Frische
voraus hat. Die schwierige Kunst des Freskos hat
er verlassen. Er hat seine dünnen, duftigen Tem-
peramalereien auf eine Wandbespannung aus Lein-
wand ausgeführt, die nicht so leicht vergänglich
war. Sie hat sich fast in allen Teilen so frisch erhal-
ten wie am ersten Tage. Die Dekoration umfaßt
eine ganze Folge von Räumen: Salon, Bibliothek,

Ankleidezimmer, Schlafzimmer, Boudoir, Speise-
zimmer und Musikzimmer. Nur zwei Räume stehen
noch unter dem Zeichen des konsequenten Illusionis-
mus, der die Schule charakterisiert. In den übrigen
kehrt die Dekoration schon zur architektonischen
Form zurück. Das Schlafzimmer hat in Graumalerei
eine architektonische Gliederung mit Säulen. Im
SpeisezimmersindTapetennachgeahmt; durch blaue
Streifen sind Felder abgetrennt, in welchen große
Ranken mit bunten Blumen laufen. Auch sonst hat
schon die Scheidung der architektonischen Teile be-
gonnen. Die Lambris sind als eigene Bestandteile
abgetrennt und die Decken waren isoliert.
Die Malereien sind von einer Hand, sie sind in den
Jahren um 1775—80 entstanden. Die Verschieden-
heit der Motive erklärt sich ohne weiteres aus dem
Bedürfnis nach Variation. Im Boudoir sind die mit
Ranken umrahmten Felder mit Chinesenszenen deko-
riert, die en camaieu gemalt sind, in rötlich violetten
Tönen, wie Bilder auf Porzellan, die wohl als Vor-
lagen dienten. Der Salon, einer der reizvollsten
Räume, ist zu einem Gartenhäuschen umgestaltet,
die Fenster sind mit Holz umrahmt und mit roten
Rosen aus Leder dekoriert. In den Hauptfeldern
dringt der Blick ins Freie, zu tiefen Perspektiven
mit ausgeschnittenen Hecken mit Kaskaden, chinesi-
schen Tempeln, wie auf Aubusson-Tapisserien oder
auf deutschen Savonnerieteppichen. In den übrigen
Räumen beherrscht der Illusionismus mit exotischer
Note das Feld, wie auf den Fresken Bergls. In
reizvoller Unbekümmertheit sind die verschieden-
artigsten Motive zusammengestellt und exotische
Phantastik ist mit Motiven der näheren Umgebung
vermischt. In den Hintergrund drängen sich zwi-
schen die chinesischen Dörfer schon Veduten aus
der Umgebung, Dörfermit Kirchtürmen, Jagdszenen
und Genremotive, die wahrscheinlich auf bestimmte
Erinnerungen des Auftraggebers Bezug nehmen.
Zwischen den seltsamsten Pflanzenbildern stehen
die fremden Tiere, die direkt einem etwas phantasie-
vollen Lehrbuch entlehnt zu sein scheinen. Die
Naivität, die frische Buntheit, die Unbekümmert-
heit einer provinziellen Phantasie gibt den Wand-
malereien ihren besonderen Reiz und aus diesem
Grunde darf auch in dieser Zeitschrift auf die sel-
tene Folge hingewiesen werden, bevor sie in alle
Welt Zerstreut wird. Adolf Feulner

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