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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0232

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Keinerlei Bedenken tragen wir hingegen, dem Lo
renzo di Credi die kleine Figur eines Heiligen zuzu-
schreiben; sie ist trotz ihrer bescheidenen Größen-
verhältnisse geradezu eine der höchsten ästhetischen
und ethischen Offenbarungen dieses Meisters. In der
Strenge der Zeichnung und Verhaltenheit der Far-
bengebung verkörpert sich ein so hoher moralischer
Ernst, daß die kleine Gestalt wie von einem inneren
Feuer verzehrt erscheint.
Ein großes, prunkvolles lombardisches Bild ganz

im Stil des Bernardino Zenale wird Carlo Crivelli
zugeschrieben. Schließlich seien noch erwähnt ein-
wandfrei authentische Werke von Vittore Crivelli,
Defendente Ferrari, Bramantino, Sano di Pietro,
Antoniazzo Romano; ferner eine dem Gentile da
Fabriano sehr nahestehende Heilige, zwei stark mit
Mantegna verwandte glänzende Bilder paduanischer
Kunst, ein Altarbild von Pietro Paolo da Sasso-
ferrato, sowie eine Kleopatra von Baldassarre Peruzzi,
aus der es wie raffaelische Lieblichkeit aufleuchtet.

DIE FLÖTNERKASSETTE IM ZÜRICHER KUNSTHAUS
VON OTTO VON FALKE

Wer mit der ziemlich weitläufig gewordenen Literatur
über den großen Ornamentisten und Bildschnitzer
Peter Flötner einigermaßen vertraut ist, wird nicht
ohne Bedenken mit neuen Zuschreibungen an das
schon mit mancherlei Fremdkörpern belastete Werk
des Nürnberger Künstlers hervortreten. Ich hoffe in-
dessen, nach reiflicher Prüfung in dem vorliegenden
Fall von dem engen Pfad der Vorsicht und Tugend
nicht abzuirren, wenn ich den Entwurf der hier ver-
öffentlichten Silberkassette (Abb. S. 207,1g. 27,5 cm)
auf Flötner selbst zurückführe. Der ohne Holzgehäus
ganz aus vergoldetem und zum Teil emailliertem
Silber gefertigte Schmuckkasten war seit einigen
Jahren im Kunsthandel und ist vor kurzem in der
Sammlung A. Rütschi gelandet, die im Züricher
Kunsthaus der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Die vielfältigen Beziehungen Flötners zur Gold-
schmiedekunst sind bekannt. Wenn seine Bleipla-
ketten auch von Kunsthandwerkern aller Art aus-
giebigbenütztworden sind, von Zinngießern, Tisch-
lern, Schnitzern, Ofenhafnern, Krugbäckern, Bronze-
gießern, so sind sie doch nach dem Zeugnis Neu-
dörfers in erster Linie für die Goldschmiede bestimmt
gewesen. Daß er nicht nur mittelbar durch seine Mo-
delle und Flolzschnitte für jedermann ihnen Vorbil-
der geschaffen, sondern auch unmittelbar an Gold-
schmiedewerken als Modelleur sich beteiligt hat, wird
durch den für dieHolzschuher gefertigten Kokosnuß-
pokal imGermanischenMuseum erwiesen,der sowohl
in derReliefschnitzerei derNuß, wie in der gegossenen
Goldfassung sein ganz persönliches Gepräge zeigt,
mit seinen unnachahmlichen Vorzügen und Unarten.
Der ausführende Goldschmied kann nur das Modell

Flötners in Gold abgegossen, ziseliert und montiert
haben, nicht mehr. Daß Flötner die Goldfassung
selbst gegossen hätte, kommt nicht in Frage, weil er,
der unzünftige Künstler, damit dem einflußreichen
Goldschmiedeamt ins Gehege gekommen wäre, das
damals in Nürnberg gegen Grenzüberschreitungen
Unzünftiger sehr nachdrücklichen Einspruch zu er-
heben pflegte. Über die Art der Mitarbeit Flötners
an dem berühmten, um 1540 entstandenen Silberaltar
im Krakauer Dom gibt Neudörfer erwünschte Aus-
kunft: danach machte Peter Flötner die Patronen
(d.h. dieModelle für die silbernen Relieftafeln) und
Figuren aus Holz, Pankraz Labenwolff goß dieselben
hölzernen Patronen von Messing und über diese Mes-
singplatten wurden die silbernen Tafeln eingesenkt
und getrieben (vonMelchiorBayr; vgl.GeorgHabich,
Treibarbeit, im Münchner Jahrbuch 1927, S.337).
Ähnlich steht es mit der Schmuckkassette: Es wird
durch Vergleich ihrer Ornamente mit Flötners ge-
sicherten graphischen und plastischen Arbeiten nach-
zuweisen sein, daß der Entwurf der Kassette von ihm
herrührt; wer jedoch die Ausführung in Silber be-
sorgt hat, kann nur vermutet werden. Die letztere
Frage ist schwieriger zu beantworten, weil der an den
fremden Entwurf gebundene Goldschmied hier nur
als Techniker, ohne Äußerungen seines persönlichen
Stils zum Wort kommt.
Die Dekoration der Kassette besteht auf allen vier
Seiten und dem Deckel in der Hauptsache aus zwei
Elementen: den reliefierten Blattranken in den Mit-
telfeldern und in je vier kleinen im Rand eingelas-
senen Ovalplättchen einerseits, und den flachen
vergoldeten Mauresken auf schwarzem Emailgrund

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