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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0211

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SARZANA (LIGURIEN), SAN FRANCESCO. GRABMAL DES BISCHOFS MALASPINA

FRANZÖSISCHE FIGUREN DES FRÜHEN 14. JAHRHUNDERTS
IN TOSKANA
VON ULRICH MIDDELDORF UND MARTIN WEINBERGER

Daß um 1250 Frankreich die Richtung der europäischen Plastik
bestimmt, bedarf keines Beweises. Es genügt, an Naumburg,
Bamberg oder in Italien an Niccolo Pisano zu erinnern. Aber
noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts erklärt sich die über-
raschende Einheit des europäischen Stiles nicht ausschließ-
lich aus gleichartiger Entwicklung auf teilweise gemeinsamer
Grundlage. Vielmehr muß immer wieder mit neuen Impulsen
aus Frankreich gerechnet werden und nur die allgemeine und
einheitliche Ausbreitung des Stiles erschwert den Versuch,
solche Einwirkungen, ihre Wege und Etappen bis zu den
Quellen zurückzuverfolgen.
Am wenigsten hat man sich noch bemüht, für die italienische
Trecentoplastik nach der Mitwirkung französischer Elemente
zu fragen, abgesehen von Orten, wo es äußere Gründe nahe-
legten, wie z. B. Neapel. Vielleicht ist das dadurch zu recht-
fertigen, daß Italien Frankreich gegenüber seine Selbständig-
keit viel stärker bewahrt hat als irgendein anderes Land. Aber
selbst Giovanni Pisano verrät gelegentlich, in der Elfenbein-
madonna des Domes zu Pisa ganz eindeutig, daß er bestimmte
französische Skulpturen gekannt und studiert hat. Von seinem
Zeitgenossen Ramo di Paganello, der 12S5 ,,ex partibus ultra-

montanis“ nach Siena zurückkehrt, hat Schmarsow überzeu-
gend nachgewiesen, daß er die Querschiffassaden von Notre-
Dame in Paris gesehen haben muß1). Wir können heute einen
ebenso klaren Fall von Beziehungen toskanischer Plastiken
des 14. Jahrhunderts zur französischen Plastik aufdecken.
Solche Einzelfälle wird man als symptomatisch für die Zeit
nehmen müssen.
Eine Madonnenstatue im Kaiser-Friedrich-Museum (Abb.
S. 188) hat Vöge mit einer eng verwandten Madonna in der
Kathedrale von Antwerpen zu einer Gruppe zusammenge-
stellt, die auf das gleiche pariserische Original zurückgeht wie
die Holzmadonna der Sammlung Oppenheim2). Obgleich
die Berliner Figur aus Pisa stammt, sah Vöge keinen Grund,
die Entstehung beider Stücke in Flandern oder doch minde-
stens im nördlichen Frankreich zu bezweifeln. Die Berliner
Madonna schien ihm eine Exportarbeit, vielleicht von einem
im Norden tätigen Pisaner in Antwerpen bestellt und dann
nach Pisa versandt.
J) Rep. f. Kunstw. 1926, S. 128 u. 135 ff. Jedoch glauben wir dem Ramo andere
Skulpturen zuweisen zu müssen als Schmarsow.
2) Jahrb. d. Preuß. Kunstsamml. 1908, S. 217.

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