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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0166

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EIN SASSAN I D I SC H ER E L F E N B E I N KASTE N

VON O. v. FALKE

Die islamische Kunst des hohen Mittelalters hat an
geschnitzten Elfenbeinwerken zwei sehr ansehnliche
Denkmälergruppen hinterlassen, die beide dem west-
sarazenischen Kunstbereich — Spanien und Sizilien —
angehören, aber doch auf ostislamische Vorbilder zu-
rückweisen. Die ältere Gruppe umfaßt Kästchen und
Pyxiden von feinster Arbeit, deren Herkunft aus dem
Kalifat ^von Cordoba und aus der Zeit von etwa 960
bis 1030 durch arabische Bezeichnungen mit den
Namen der Besteller oder Empfänger gesichert ist.
DieseWerke einer raffinierten Hofkunst,in Migeons
Manuel d’Art musulman (S. 128—137) übersichtlich
zusammengestellt, zeigen zwischen eleganten Ara-
beskenranken figürliche Reliefs, Reiter, Tierkämpfe
und symmetrische Tierpaare persischer Abkunft, die
durch das Medium der abbasidischen Kunst Meso-
potamiens und Ägyptens bereits arabisiert sind. Die
zweite Gruppe besteht aus Olifanthörnern und Käst-
chen, die datierender Inschriften entbehren und nur
aus stilistischen Gründen als sarazenische Arbeiten
des 11. und 12. Jahrhunderts aus Sizilien und Apulien
angesehen werden. Es gibt innerhalb dieser Gattung
feinere Stücke aus Elfenbein und gröbere aus Tier-
knochen; ein noch unveröffentlichtes Beispiel der
letzteren, vom Berliner Schloßmuseum erworben,
gibt die Abb. S. 146. Es ist anzunehmen, daß die Kno-
chenarbeiten europäisch sind und nicht ausgeschlos-
sen, daß die Gruppe mit den besseren Elfenbein-
kassetten im Orient wurzelt, in einer Gegend, die
dem persischen Einfluß unmittelbar offen stand. Im
Gegensatz zu den cordobanischen Werken spielt in
der Reliefdekoration derzweitenGattung die mensch-
liche Figur eine untergeordnete Rolle; das vorherr-
schende Element sind stark stilisierte Tiere, die ein-
zeln oder paarweis von dünnen blattarmen Ranken
inKreisfelder eingeschlossen werden, Löwen mit ihrer
Beute, Steinböcke, Raubvögel, Enten und Pfauen,
Hasen mit überlangen Ohren, auch phantastische
Tiere wie geflügelte Greifen.
Es steht außer Zweifel, daß dieses Bestiarium aus
der persischen Kunst der Sassanidenzeit in die isla-
mische Ornamentik übergegangen ist; man kann
auch auf persischen Gefäßen aus Bronze und Silber
aus frühislamischer Zeit noch solche Tierbilder in
ähnlich kompakter Stilisierung finden (vgl. Sarre, Die

Kunst des alten Persien, Taf. 135, 141) und in der
Keramik des 9. bis 10. Jahrhunderts (Kühnel, Isla-
mische Kleinkunst, Abb. 36,37,44). Dagegen ist von
persischen Elfenbeinschnitzereien, die man als Vor-
stufe der sarazenischen Kassetten ansehen könnte,
noch gar nichts bekannt geworden. Es ist daher eine
kunstgeschichtlich bemerkenswerte Überraschung,
daß jetzt der Kunsthandel das erste und vielleicht
einzige Elfenbeinwerk rein sassanidischen Stils ans
Licht gebracht hat (Abb. S. 145; Besitzer Theodor
Fischer, Luzern) : Ein rechteckiges Kästchen mit ge-
wölbtem Deckel, 22,5 cm lang und 6,5 cm breit, von
der Form der in Persien gebräuchlichen Schreibzeug-
kasten. Für jegliches Motiv seiner Reliefschnitzerei
können Analogien in anderen iranischen Kunst-
werken der Sassanidenzeit nachgewiesen werden. In
den beiden seitlichen Bildkreisen des Deckels ist der
persischeHippokamp mit Flügeln und Pfauenschweif
dargestellt, eine phantastische Tierbildung, die so
häufig auf sassanidischen Seidenstoffen (vgl. Falke,
Kunstgesch. d. Seidenweberei 1913, I, S. 79), Silber-
gefäßen, Steinskulpturen, Stuckreliefs vorkommt,
daß man sie geradezu als Wahrzeichen der sassani-
dischen Tierornamentik bezeichnen könnte. Es ge-
nügt hier auf ein datiertes Beispiel hinzuweisen, den
Hippokampen, der als Gewandmuster auf der be-
rühmten Reiterstatue des Königs Khosrau II. (591 bis
628) in Takibostan dargestellt ist (Abb. S. 146), da
dieser mit dem Elfenbeinkasten in Luzern ziemlich
genau übereinstimmt. Der Mittelkreis umschließt
das Reliefbild eines Jägers auf einem Kamel, der
rückwärts gewendet seinen Pfeil vom Bogen schießt.
Das ist das typische Bild des durch seine Jagderfolge
berühmten Königs Bahram V Gor (420—438), ein
sehr beliebtes Motiv der Sassanidenkunst. Man er-
kennt die stark gekrümmte Form des iranischen Bo-
gens, die flatternden Bänder der durch eine Beschädi-
gung undeutlich gewordenen Kopfbedeckung des
Königs, den geperlten Rand der Satteldecke, die fal-
tigen Beinkleider der Sassanidentracht. Die persi-
schen Könige werden zwar in der Regel zu Pferde dar-
gestellt, es ist aber auch ein Bild des Königs Bahram
als Kamelreiter auf einer Silberschale des Museums
in Kasan vorhanden (Sarre a.a.O., Taf. 106). Vor
dem Kamel ist noch ein Hase angebracht, mit den

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