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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0263

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FRAUENBILDNISSE DES MANTUANER HOFES VON LORENZO COSTA

VON GEORG GRONAU

Wenige Monate, nachdem Andrea Mantegna aus dem
Leben geschieden war, hatte das fürstliche Haus
Gonzaga den ferraresischen Maler Lorenzo Costa als
Hofmaler an seiner Statt aus Bologna nach Mantua
berufen. Er war dem Markgrafen Francesco und
seiner Gemahlin Isabella d’Este gewiß kein Fremder:
Landsmann der Markgräfin, ihr wahrscheinlich durch
seine Beziehungen zu den ihr verschwägerten Herren
von Bologna, den Bentivoglio, empfohlen, war er
schon vor seiner Berufung der etwas zweifelhaften
Ehre gewürdigt worden, für das „Studiolo“ Isabellas
ein Bild malen zu dürfen, das zusammen mit den
anderen Gemälden, die einst diesen Raum geschmückt
haben, in den Louvre gelangt ist. Es ist der sog.
,,Musenhof der Isabella d’Este“, der Ende 1504 Costa
in Auftrag gegeben, zu Anfang des Jahres 1506 fertig-
gestellt wurde1).
Die wesentlichste Aufgabe, die dem Maler nach
seiner Übersiedlung in die neue Heimat gestellt
wurde, war die Ausmalung des Palastes von S. Se-
bastiano; außerdem löste er den neben Mantegna
tätigen Francesco Bonsignori als Hofporträtmaler ab.
Von einigen Bildnissen der Damen des Hofes haben
wir, wenn auch nur dürftige Nachricht in zeitgenös-
sischen Dokumenten.
Im gleichen Jahr 1508 malt Costa das Bild der Fürstin
und ihrer erstgeborenen Tochter Eleonora. Isabella,
welche immer wieder um ihr Porträt von ihr befreun-
deten Personen angegangen wurde, dabei aber eine
tiefe Abneigung dagegen hatte, Künstlern zu sitzen,
scheint bei Costa eine Ausnahme gemacht zu haben.
Schon Ende Juni bat sie den Literaten Galandra um
ein Distichon, das sie zum Lob des Malers oberhalb
des Bildes anbringen lassen wollte («perche vorressi-
mo far mettere ne 1’ ultimo quadro ehe ni ha fatto
il Costa del retracto nostro, un bei distico a laude
sua . . .»). Zwei Monate später stattete der junge
Herzog von Urbino in Mantua einen Besuch ab, um
bei dieser Gelegenheit die ihm verlobte Eleonora
Gonzaga kennenzulernen. Ein Hofbeamter berich-
tet an Isabella, die nach der Geburt eines Kindes
noch bettlägerig war, wie nach der Begrüßung die
Gesellschaft sich zu unterhalten beginnt, besonders
wird über Bilder gesprochen. Der Marchese ruft ihn
und befiehlt ihm, das Bildnis der Isabella zu bringen,
das den allgemeinen Beifall findet. Wieder ein paar
Monate später, am 1. Oktober 1508, schreibt Fran-
cesco Gonzaga dem Maler: «se havete finito il ri-
tratto di Leonora nostra figlia mandatecelo fora,
perche lo volemo vedere»2 3).

Ungefähr ein Jahr, nachdem man sich am Mantuaner
Hof an der Betrachtung des Bildnisses der Isabella
erfreut hatte, begegnete deren Gatten das Mißge-
schick, bei Isola della Scala in die Hände der Vene-
zianer zu fallen, die ihn als Staatsgefangenen in die
«toresella» des Dogenpalastes brachten. Erst mit
großer Strenge behandelt, konnte er sich später, wohl
auf die Fürsprache des Papstes hin, einiger Erleich-
terungen erfreuen. Ab und an wurden vertraute Die-
ner zu ihm gelassen, er durfte nach Mantua Briefe
schreiben, in denen er gelegentlich Costa ermahnt,
fleißig in den begonnenen Arbeiten fortzufahren.
«Ringraciate el Costa da mia parte», heißt es am
24. September 1509, «et diteli el non mancha in li
altri quatri»1). Aus diesem Wortlaut scheint her-
vorzugehen, daß Costa ihm Bilder geschickt hatte;
was sollte das Wort «altri quatri» für Sinn haben,
wenn das, wofür der Fürst dankt,' nicht eben auch
Bilder gewesen wären?
In der Tat erfahren wir, daß Francesco, während er
in Venedig gefangen saß, sich über die Trennung
von den Seinigen durch den Anblick ihrer Bildnisse
zu trösten versucht hat. Als endlich der Tag der
Freilassung heranbrach, schenkte er sie einem vene-
zianischen Patrizier, wer weiß für welche ihm erwie-
senen Dienste. Im Hause des Jeronimo Marcello,
der kostbare Bilder von Giovanni Bellini, von Gior-
gione — darunter die (Dresdner) Venus — und von
Tizian sein eigen nannte, sah Marc’Antonio Michiel
1525 „das Bildnis der Frau Markgräfin von Mantua
und von Madonna . . . ihrer Tochter, von der Hand
des Lorenzo Costa. Sie waren nach Venedig dem
Herrn Francesco geschickt worden, damals, als er in
der toresella gefangen saß“2). Waren es jene zwei,
die im Jahre 1508 entstanden waren, oder handelt es
sich nicht vielmehr um neue, für den besonderen
Zweck gemalte Bilder, mit denen der Maler dem ge-
fangenen Herrn eine Freude zu bereiten gedachte?
Darüber schweigen unsere Urkunden, aber auch ohne
solche Beglaubigung dürfen wir annehmen, daß noch
hinterher in Mantua Bildnisse der fürstlichen Frauen
von Costa vorhanden waren: Um so mehr als in der
Zwischenzeit Leonora Mantua verlassen hatte, um,
geleitet von ihrer Tante Elisabetta Gonzaga, in die
neue Heimat überzusiedeln (Dezember 1509) s).
Was ist aus diesen Werken geworden? Schon lange
glaubt man ein Bildnis der Galerie in Hampton Court
(Abb. S. 236), ein sicheres Werk des Costa, mit einem
von ihnen identifizieren zu können. In dem kleinen
Führer von Mrs. Mary Logan, der die italienischen

x) Das Material darüber findet man am bequemsten jetzt bei Luzio, La Galleria
dei Gonzaga, Mailand 1913, S. 204 ff. Außer der hier abgedruckten Abhand-
lung über die Bildnisse der Isabella d’Este ist die Abhandlung des gleichen
Verfassers (zus. mit R. Renier) „Il Lusso di Isabella d’Este“ (Nuova Anto-
logia Bd. 63-—65, 1896), von grundlegender Bedeutung.
2) Bertolotti, Artisti in Relazione coi Gonzaga, Modena, 1885, S. 27.

*) A. Luzio, La Reggenza di Isabella d’Este durante la prigionia del Marito,
Mailand 1910, S. 21.
2) Notizie d’opere del disegno ed. G. Frizzoni, Bologna 1884, S. 171.
3) Luzio-Renier, Mantova ed Urbino, Turin, 1893, S. 190ff.

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