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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 1
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Baur, Albert: Die Kunstgewebeschule Zürich und ihre Metallarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0030

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keinen speziell schweizerischen Charakter
zeigten. DaS mag in gewisscm Sinnc
auch stimmen; aber cs ist kein Vorwurf.

Dcnn bie gute Traditwn mit der Arbeit
der alten Schweiz, wie sic das Landes-
niuseum in Iürich zeigt, ist vollständig
zerrisscn. Das kunstgewerbliche Schaffen
der letzten Jahrzehnte wics dic gleichen
Mängel aus, die aus dem ganzen Konti-
nent zutage traten, und wo sich eine
Originalität zeigtc, da war es in der
Souvenirkunst der Fremdenindustric. Und
dic war traurig gcnug. Es wäre kleinlich,
richtige Grundsätze für eine neue Gewerbe-
kunst deswegcn zu bemängeln, weil sie nicht aus heimi-
schem Boden gewachsen sind. Sind doch diese Grund-
sätzc so weit, daß sie kein Hindcrnis sein können, wenn
sich einmal nationale Qualitäten geltcnd mache» sollten.

Nach diescm sesten Systcm werden die als praktisch
und technisch richtig bcfundenen Skizzen aus ästhctische
Reinheit der Form kontrolliert und korrigiert. So er-
hält jeder Schüler Anhaltspunkte, die ihm bleiben, auch
wenn er dic Schulc verlassen hal. Die Resultate des
Unterrichts haben sich denn auch schon in manchen
Fällen als beständig erwiesen und die Kunstgewerbe-
schule ist immcr mehr zu ciner Anstalt geworden, dic
die ganze Jndustrie befruchtet und sür sie zur ästhe-
tischen und technischen Zentralstclle gcwordcn ist.

Die Abbildungcn, die diescn Aufsatz begleiten, stellcn
Arbeiten von Schülcrn dar, die alle durch geometrische
Konstruktion aufgebaut und nachgcprüst ivorden sind.

Eö ist dazu noch zu bemcrkcn, daß dic eigenartige
Schönheit eines jcden MatcrialS eine andere Art der
Behandlung verlangt hat. Bei silbernen Gegcnständen,
zum Beispiel Fruchtschalen, erzielen stark herausgetriebene
Buckelmotive den höchsten Grad dcr Stoffbelebung.

Bei Gold wirken kleinere und reicher ge-
gliederte Buckel schöner. Bei poliertem
Messing bringt die leichtgewölbte oder zum
Iylinder gebogcne Fläche den größten
Effekt hervor.

Jm allgemeinen wird nach dem Grund-
satz gearbeitet, daß die Verzierung die
gleiche Sprache sprechen soll, wie das
Material, das sie belebt. Die mit der
Punze ziselierten Ornamente sind rein
geometrisch, und ihre Größe entspricht
immer demselben System von Propor-
tionen wie die Gesamtsorm.

Die Arbeiten der Kunstgewerbeschule
Iürich, die unter anderm auf der internationalen Aus-
stellung zur Förderung deö Zeichen- und Berussunter-
richls in Londvn einen bedeutendcn Ersolg davon-
gctragen haben, zeigen alle dcn Charakter einer seltenen
Reife und Ruhe. Das ergibt sich aus ihrem logisch
festbegründeten L-til. Denn wer Stil sagt, sagt Ord-
nung, und wcr Ordnung sagt, sagt Ruhe, steht in
dem genannten Werk von Berlage zu lesen. Nirgends
drängt sich Ori'ginalitätssucht auf; m'rgends macht sich
Unsicherheit in der Formgestaltung bemerkbar. Das
erklärt sich schon daraus, daß sicli die Zürcher Schule
konsequent von allem Naturalismus losgesagt hat.

Jhre Schüler treten mit sicherem Können und mit
sicheren Prinzipien ins Leben hinaus. Sie kennen die
Geheimnisse der schöncn Form, nicht nur der schönen
Dekoration. Daö ist ein Iiel, dcm alle Kunstgewerbe-
schulen nacbstreben sollten. Dann möchte es gelingen,
daß die Wohnung eines jedcn, des Reichen wie des
Armcn, eine Stätte würde, wo ein jedes Ding durch
Wahrheit in seiner Erscheinung und Logik in seinem
Ausbau einen gewiffen Kunstwert hätte"

Albert Baur.

Silberne Fruchtschale mit Punzverzierung.
 
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